Lean Production Award 2025
BMW Cockpitfertigung Landshut und Wackersdorf prämiert
Die Cockpitfertigung der BMW-Werke Landshut und Wackersdorf erhält den Lean Production Award 2025. Die Standorte überzeugen mit stabilen Prozessen, digitaler Unterstützung und enger Zusammenarbeit mit dem Lieferantennetzwerk.
Qualitätskontrolle per Auge im BMW-Werk Wackersdorf
BMW
Die Cockpit-Produktion der BMW-Group Werke Landshut und Wackersdorf ist in diesem Jahr Gewinner des Automotive Lean Production Awards in der Kategorie Supplier. Ausgezeichnet wird eine Fertigung, die Lean-Prinzipien langfristig verankert und digitale Technologien so integriert, dass Prozesse stabiler, transparenter und flexibler werden. Nach dem ersten Award im Jahr 2011 bestätigt die erneute Auszeichnung einen kontinuierlichen Entwicklungsweg, der auf robuste Abläufe, verlässliche Lieferketten und eine aktive Rolle innerhalb des globalen Produktionsnetzwerks abzielt.
Lean before Digit: Prozessstabilität als Ausgangspunkt
BMW setzt in der Cockpitfertigung auf den Grundsatz „Lean before digit“ – und gestaltet digitale Lösungen erst dann, wenn der zugrunde liegende Prozess optimiert und störungsarm ist. Das zeigt sich besonders deutlich in der Steuerung des Materialflusses. Die Arbeitsstationen, an denen die Sequenzbildung beginnt, werden über selbstregelnde Systeme versorgt. Diese Form des Pull-Prinzips minimiert Wartezeiten und macht Abläufe vorhersehbarer.
In Wackersdorf führte eine umfassende Analyse der Montagesequenzen dazu, die Carset-Erstellung unmittelbar an die Linie zu verlagern. Die Folge war eine spürbare Reduktion von Störungen, ein geringerer logistischer Aufwand und eine klarere Taktung. Eine frühere Sequenzierung im Prozess ermöglicht zudem eine Halbierung der benötigten Fläche und eine vollständige Stabilisierung der betroffenen Station. Ähnliche Effekte erzielte die Cockpitfertigung in Landshut, wo bei komplexeren Baureihen durch eine weitgehende Vorverlagerung einzelner Arbeitsschritte die Variantenbeherrschung verbessert wurde.
Auch im Bereich der Automatisierung verfolgt BMW eine pragmatische Linie. Technologien werden dann eingesetzt, wenn sie Qualität, Effizienz oder Ergonomie nachhaltig verbessern. Ein Beispiel ist die Fertigung der BMW-1er-Baureihe, bei der ein vollautomatisiertes Setzen und Verschrauben von Klammern eingeführt wurde. Die Prozesskontrolle wird dadurch präziser, und die Gesamtanlageneffektivität steigt deutlich. Wolf Duwenkamp betonte in seinem Vortrag: „Man muss sehr genau schauen, dass man nicht automatisiert einfach um des Automatisierens willen, sondern die Finanzen immer im Blick behält.“
Qualitätssicherung als lernender Prozess
Die Qualitätssicherung in Landshut und Wackersdorf beruht auf einem Mix aus standardisierten Abläufen und digitalen Werkzeugen, die Abweichungen frühzeitig sichtbar machen. Automatisierte End-of-Line-Prüfungen mit Foto-Dokumentation erleichtern die Nachverfolgbarkeit. KI-gestützte Kamerasysteme erkennen Anomalien an Oberflächen und Bauteilen während der Entstehung – nicht erst am fertigen Bauteil. Dies verkürzt Reaktionszeiten und reduziert den Ausschuss.
Auch die Nacharbeit wurde konsequent digitalisiert. Fehlerbilder, Ortsbezüge und Trends sind auf einem Blick sichtbar, sodass Teams viel schneller Prioritäten ableiten können. Duwenkamp beschrieb den Anspruch so: „Wir warten nicht darauf, dass der Fehler erst da ist. Wir können frühzeitig eingreifen und unsere Maschinenparameter anpassen.“ Qualität wird damit zu einem fortlaufenden, datenbasierten Prozess, der nicht am Ende der Linie beginnt, sondern sich entlang der gesamten Wertschöpfung fortsetzt.
Die Transparenz wirkt sich auch auf Serienanläufe aus. Durch digitale Dokumentation und kamerabasierte Analysen lassen sich Abweichungen in frühen Phasen zuverlässig erkennen. Das ist besonders wichtig in einem Umfeld mit hoher Variantenvielfalt, komplexen Baugruppen und differenzierten Oberflächentoleranzen.
Shopfloor und Qualifizierung: Die Rolle der Mitarbeitenden
Trotz hoher Automatisierung spielt der Shopfloor eine zentrale Rolle. Die Cockpitfertigung orientiert sich am Wertschöpfungsorientierten Produktionssystem (WPS), das auf klare Abläufe, ergonomische Arbeitsplätze und eine verlässliche Kommunikationsstruktur setzt. Digitale Assistenzsysteme wie Pick-to-Light, bildgestützte Arbeitsanweisungen oder digitale Kanban-Lösungen verbessern die Sicherheit und vereinfachen die Einarbeitung.
Für Duwenkamp ist der Beitrag der Mitarbeitenden entscheidend für den Erfolg. „Fehler müssen zugelassen werden. Nur so können wir neue Wege gehen und uns davon lösen, dass immer das Bekannte der Standard ist“, sagte er. Dass dieser Gedanke im Alltag verankert ist, zeigt sich am Beispiel einer Layout-Anpassung im Supermarktbereich. Nachdem klar wurde, dass ein neues Derivat das bestehende Layout überlasten würde, entwickelten Teams aus Produktion, Logistik und Planung gemeinsam eine neue Struktur. Simulationen mit Lean-Methoden führten zu einer drastischen Flächenreduktion und einer effizienteren Materialversorgung – ein Ergebnis, das unmittelbar aus der Belegschaft heraus entstand.
Zudem setzt BMW auf ein strukturiertes Qualifizierungsprogramm. Das Onboarding im Einkauf und Lieferantennetzwerk vermittelt technologisches Grundlagenwissen und fördert das Verständnis für Prozesse und Werkzeuge. Dadurch können Einkäufer technische Entscheidungen fundierter begleiten und auch in frühen Konzeptphasen mit Herstellern und Lieferanten auf Augenhöhe agieren. „Der Einkäufer muss technisches Know-how haben“, so Duwenkamp. „Er muss verstehen, wie Werkzeuge funktionieren, wie Prozesse aufgebaut sind und wie Lieferantenstärken aussehen.“
Einheitliches Verständnis über die Wertschöpfung hinweg
Die digitale Transformation der Cockpitproduktion zeigt sich auch im Umgang mit Daten. Maschinendaten, Ausschussmeldungen und Qualitätskennzahlen werden automatisiert erfasst. Der Buchungsaufwand sank dadurch um 90 Prozent. Datenplattformen visualisieren Trends in Echtzeit, was die Reaktionsgeschwindigkeit erhöht und Entscheidungssicherheit schafft.
In der Logistik ermöglichen mobile Anlagenführer den Teams, AGVs selbst zu steuern, zu programmieren und weiterzuentwickeln. Diese technologische Unabhängigkeit reduziert externe Aufwände und stärkt das interne Know-how – ein Vorteil bei Anpassungen im laufenden Betrieb.
Über die reine Fertigung hinaus wirkt die Cockpitproduktion als verbindendes Element im Lieferantennetzwerk. Sie berät Hersteller bereits in frühen Konzeptphasen, unterstützt bei Werkzeugauslegung und Anlagentechnik und begleitet Industrialisierungsprozesse beim Lieferanten vor Ort. Ein Beispiel aus dem Vortrag zeigt, wie eng diese Zusammenarbeit sein kann: Nach einer kurzfristigen Bauteiländerung übernahm BMW zunächst selbst die Industrialisierung im Werk, bevor der Prozess gemeinsam mit dem Lieferanten in dessen Fertigung übertragen wurde.
In einer Zeit geopolitischer Unsicherheit, in der Lieferketten neu bewertet werden, wird diese Befähigung zum strategischen Faktor. Sie sorgt dafür, dass Anläufe stabil bleiben und Qualität entlang der gesamten Wertschöpfungskette gesichert ist.
Ein Produktionsansatz mit klarem Kurs
Die BMW-Werke Landshut und Wackersdorf zeigen, wie Lean-Methodik, Digitalisierung und Lieferantenintegration zu einem stabilen und skalierbaren Produktionssystem zusammenwachsen. Die Cockpitfertigung beliefert zahlreiche Baureihen – vom BMW 1er bis zum BMW iX – und ist als Teil des größten Komponentenwerks der BMW Group ein integraler Bestandteil des globalen Produktionsverbunds.
Duwenkamp fasste die Haltung der Werke in einem Satz zusammen: „Lean ist unser Anspruch und unsere Kultur.“ Die erneute Auszeichnung unterstreicht diesen Kurs, der auf Kontinuität statt kurzfristiger Effekte setzt und zeigt, wie moderne Fertigung in komplexen Netzwerken gestaltet werden kann.