Ein Auto im Werk JLR-Werk Solihull

Jaguar Land Rover macht seine Fabriken mit smarter Vernetzung fit für die Zukunft. (Bild: JLR)

Da Fertigungsprozesse zunehmend datengetrieben werden, stoßen herkömmliche Netzwerktechnologien an ihre Grenzen. Steve Mason, Manager für Advanced Digital Technologies bei JLR Global Industrial Operations, beschreibt die Einführung von 5G im Werk Solihull als „eine Art natürliche Weiterentwicklung“ und erklärt, dass das Unternehmen nicht einfach aus Prinzip auf 5G setzen wollte. „Wir hatten eine Reihe von Herausforderungen“, sagt er – insbesondere durch die steigende Zahl vernetzter Geräte, Sensoren und mobiler Technologien wie Tablets, Telefone und Kamerasysteme. Das bestehende Ethernet-Netzwerk war zuverlässig, aber unflexibel. „Wir verwenden hauptsächlich Ethernet, aber wir überlasten es nicht. Und jedes Mal, wenn wir etwas ändern wollen, ist es zeit- und kostenintensiv, Netzwerkanschlüsse zu verlegen.“

Auch der Einsatz von WLAN sei gescheitert. „Wir hatten alle möglichen Probleme mit der Signalstärke, dem Wechsel zwischen Access Points, der Anzahl der Geräte pro Zugangspunkt und so weiter“, erklärt Mason. Diese Einschränkungen bremsten JLRs Pläne für agilere, datengetriebene Prozesse. „Je mehr Daten man dem Unternehmen zur Verfügung stellt, desto mehr Effizienzverbesserungen will es erzielen.“ Doch die bestehende Infrastruktur war dieser Dynamik nicht gewachsen.

Erste Tests und Umsetzung

JLR begann die 5G-Reise mit einem kleinen Proof-of-Concept-Projekt in einem Montagebereich – in Zusammenarbeit mit Ericsson. „Wir haben nur eine Zelle getestet, um die Technologie zu beweisen – und wir haben viel daraus gelernt“, sagt Mason. Dabei zeigte sich, wie 5G als Erweiterung des bestehenden Netzwerks funktionieren kann. Herausforderungen gab es besonders bei der Netzwerkkonfiguration und der Einrichtung fester IP-Adressen. „Es war schwierig, ein 5G-Werkzeug für ein privates 5G-Netzwerk zu konfigurieren“, so Mason. Doch diese praktische Erfahrung bildete die Basis für den weiteren Ausbau.

Heute rollt JLR 5G umfassender aus – mit Ericsson und Fujitsu als zentrale Partner. „Die Arbeit im Solihull-Werk wird von ihnen unterstützt“, so Mason. Es ist ein kollaborativer Prozess, der sowohl auf das Fachwissen der Anbieter als auch auf die internen Ziele abgestimmt ist. Mason betont, dass nicht alte IT-Systeme das Problem darstellten, sondern die Grenzen aktueller Technologien wie Ethernet und WLAN. „Ethernet bedeutet Kupferdraht, der physisch verlegt werden muss – teuer und langsam in einem 24/5-Produktionsbetrieb.“ WLAN wiederum leidet unter Unterbrechungen: „Unsere Produktionslinie bewegt sich – ein kurzer Ausfall zur falschen Zeit kann ein Software-Update scheitern lassen.“

Die Spektrumsüberlastung in der Fabrik verschärfte das Problem zusätzlich. „Selbst Geräte, die nicht in unserem WLAN sind, stören uns – einfach durch ihre Präsenz auf dem Frequenzband. 5G hingegen nutzt ein sauberes Spektrum.“

Edge Computing ist zentral

Der 5G-Ausbau dreht sich laut Mason nicht nur um Bandbreite. Auf die Frage, ob JLR mehr Sensoren und Edge-Geräte einsetzt, antwortet er: „Zehnmal so viele. Wir befinden uns mitten in einer groß angelegten IoT-Reise.“ 5G ist der Enabler, aber das Herzstück sind Edge-Computing-Systeme, die direkt in der Produktionsumgebung Daten verarbeiten. „Wir setzen Edge-Rechner ein, die unsere IoT-Datenplattform betreiben“, erklärt Mason. Diese IT-Geräte befinden sich im Bereich der Automatisierung, direkt an den Steuerungseinheiten. „Anfangs dienten sie nur der Datenerfassung – jetzt führen sie Berechnungen durch, etwa mit KI-Modellen.“

Das ist entscheidend bei der Datenmenge: Tausende Geräte auf dem Shopfloor machen zentrale Verarbeitung ineffizient. „KI ist rechenintensiv“, so Mason. „Edge-Computing schafft hier enormes Potenzial.“

Ziel: Predictive Maintenance

Langfristiges Ziel ist die zustandsbasierte Wartung. „Das sollte jedes Unternehmen längst eingeführt haben“, meint Mason. „Was wirklich gebraucht wird, ist vorausschauende Wartung und preskriptive KI. Aber das beginnt mit den Daten – und die wiederum mit der Konnektivität.“ Zur Kontextualisierung dieser Daten baut JLR einen einheitlichen Namensstandard (Unified Naming Standard, UNS) auf – ein entscheidender Schritt für aussagekräftige Analysen.

Die erste 5G-Testphase liegt mittlerweile fast zwei Jahre zurück. Heute ist 5G samt Funkabdeckung im Solihull-Karosseriebau aktiv. Der nächste Schritt: Daten sinnvoll nutzen und in Erkenntnisse überführen – mithilfe von KI und Fachwissen. „Wie erkennen wir, wann ein Ausfall bevorsteht?“ Viele Modelle helfen, aber ein Großteil des Wissens stecke in den Köpfen erfahrener Mitarbeiter.

Viele Sensoren sind längst vorhanden. „Wir setzen kaum neue Sensoren ein – sie sind schon da“, sagt Mason. „Aber ohne Anbindung sind sie nutzlos.“ Früher wurden die Daten manuell mit USB-Sticks gesammelt. „Wir wollen Ausfälle künftig proaktiv verhindern.“

5G in der Praxis: Solihull

Die erste vollständige 5G-Implementierung erfolgte im Karosseriebau, nach einem erfolgreichen Test in der Endmontage. „Dort gibt es viel Stahl und viele Störfaktoren. Wir wollten wissen, ob 5G selbst unter schwierigsten Bedingungen funktioniert – und es hat funktioniert“, berichtet Mason. „250 Meter vom letzten Access Point entfernt hatten wir noch ein perfektes Signal – unglaublich.“

Der Karosseriebau wurde gewählt, weil er hoch automatisiert und datenintensiv ist – anders als die eher manuelle Endmontage. Später sollen komplexere Bereiche wie die Lackiererei folgen, die Mason als „fünf Stockwerke hoch mit riesigen Flüssigkeitstanks“ beschreibt. Dank der softwaredefinierten Architektur lässt sich 5G leicht skalieren. „Wir dokumentieren alles korrekt, damit es wiederholbar und skalierbar ist – das ist entscheidend.“

Ein Kulturwandel

Die 5G-Integration verändert nicht nur Technologien – sondern auch die Zusammenarbeit. Laut Mason fördert der gesteigerte Datenzugang die Zusammenarbeit zwischen Technikteams. „Wir haben noch nie so viel Engagement von Instandhaltung, Fertigung und Steuerungstechnik erlebt“, sagt er. Es geht um die Annäherung von IT und OT – und von Menschen. Wartungen waren früher zeitbasiert. Nun entwickeln sich die Prozesse hin zu datengesteuerter, intelligenter Planung. Die Vorteile gehen über Zeitersparnis hinaus: Analysen helfen, Ressourcen gezielt einzusetzen und die Produktion effizienter zu gestalten. Auch lassen sich kritische Ausfälle besser verhindern, wenn beispielsweise ein Antriebssystem für die Produktionslinie versagt. Das hätte massive Folgen, sagt Mason. Doch mit 5G kann man viele dieser Risiken frühzeitig erkennen und besser steuern.

Die 5G-Einführung habe JLRs Datenmanagement deutlich verbessert – ein großer Schritt in Richtung Effizienzsteigerung und Reduzierung von Ausfallzeiten. Doch was vielleicht noch wichtiger ist: Sie verändert Denkweisen. Teams werden proaktiver, datengetriebener und stärker auf die Gesamtziele des Unternehmens ausgerichtet.

Dieser Artikel erschien ursprünglich bei unserem Schwestermagazin automotive manufacturing solutions.

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