Audi Lackierei

Audi setzt auf eine neue Decklacklinie mit zusätzlicher Sonderfarbversorgung für die Innen- und Außenlackierung. (Bild: Audi)

Die Zahlen des Verbands der Automobilindustrie (VDA) sind kein Anlass für Krisenstimmung. Im Gegenteil: „Auf dem europäischen Pkw-Markt wurden im ersten Quartal des aktuellen Jahres 3,4 Millionen Fahrzeuge neu zugelassen. Das sind knapp 5 Prozent mehr als im ersten Quartal 2023“, heißt es in einer VDA-Meldung. Auch sonst zeigen die Branchen-Champions im internationalen Vergleich trotz geopolitischer Unsicherheiten wenig Anzeichen für ernsthafte Schwächeanfälle. Hingegen zeigen sich bei genauerem Blick auf die Marktdynamik erste Dellen: „Im März drehte der europäische Gesamtmarkt ins Minus: Neuzulassungen in Höhe von knapp 1,4 Millionen Einheiten bedeuten ein Minus von 3 Prozent gegenüber dem Vorjahresmonat.“

Darum müssen Tools-Experten wie Dürr umdenken

Neue Wettbewerber aus Asien, der gerade stagnierende Hochlauf bei den Elektroautos und wacklige Margen im Volumensegment hinterlassen ihre Spuren in den Werkshallen. Vor allem bei den E-Autos geht es darum, Produktionskosten in den Griff zu bekommen, um Marktanteile durch wettbewerbsfähige Verkaufspreise zu sichern. Für Werkzeug-, Maschinen- und Anlagenbauer heißt das Umdenken: „Allein hochproduktive und zuverlässige Maschinen, Anlagen oder Komponenten zu liefern wird zukünftig als Differenzierungsmerkmal und Basis des Geschäftserfolgs nicht mehr ausreichen“, konstatiert eine Branchenstudie der Fraunhofer-Allianz Automobilproduktion, „es vollzieht sich ein Paradigmenwechsel vom Produktfokus zu nutzenbasierten Mehrwerten, sogenannten Produkt-Service-Systemen.“

Was ist gemeint? Der Maschinen- und Anlagenbauer Dürr beispielsweise investiert konsequent in Automatisierungstechnik und versteht sich als Generalunternehmer für schlüsselfertige Lackierereien mit hauseigener Robot-Familie, umfangreichem Applikationspaket und integrierten Qualitätssicherungssystemen. Das Unternehmensportfolio sei nach eigenen Angaben durchgängig auf Smart-Manufacturing-Level zugeschnitten. Die jüngste Zerstäubergeneration etwa arbeitet mit 4-Hauptnadel-Technik, wodurch ein Farbwechsel in wenigen Sekunden realisierbar ist – bei niedrigsten Lack- und Spülmittelverlusten. Die gesamte Applikationstechnik inklusive Spritzkabinen, 6-Achs-Robotern und Trocknern ist auf diesen synchronen Mehrfarbenauftrag abgestimmt.

Prompt ist Autohersteller Audi zur Stelle. Der OEM sucht am Werkstandort Ingolstadt eine neue Decklacklinie mit zusätzlicher Sonderfarbversorgung für die Innen- und Außenlackierung der startbereiten Audi Q6 e-tron Baureihe – ein Premiumfahrzeug der oberen Mittelklasse und lang erwarteter SUV-Konkurrent zu Teslas Model Y. Der Hersteller orderte vor kurzem in Bietigheim-Bissingen, nicht zuletzt wegen der Kostenvorteile, die sich dank erstmals eingesetzter Farbwechseltechnik und dem damit verbundenen geringeren Lack- und Lösemittelverbrauch ergeben. Ein weiteres Plus: Das patentierte Lackiersystem von Dürr reduziert den Ausstoß von kohlenstoffhaltigen Partikeln in die Umwelt.

KI und Digital Twin im Fokus von DMG Mori

Ein weiterer Trend im Werkzeug- und Maschinenbau ­mit erheblichem Einfluss auf Verfügbarkeit und Produktivität im Fahrzeugbau ist der Einsatz von künstlicher Intelligenz. Bei Werkzeugmaschinenbauer DMG Mori heißt das Thema Machining Transformation (MX), umfasst das gesamte Produktportfolio von der einzelnen Dreh- oder Fräsmaschine bis zu großen, flexiblen Fertigungssystemen samt Roboterhandling und fahrerlosen Transportsystemen.

Die Entwicklungsaktivitäten richten sich derzeit neben abgesicherten und standardisierten Maschinendatenschnittstellen sowie Machine-Learning-Algorithmen auf den digitalen Zwilling – das virtuelle Abbild einer realen Maschine mit allen Steuerungsfunktionen und Bewegungsabläufen. „Der Digital Twin ermöglicht eine offene Interaktion von Maschinen und Prozessen für die perfekte Planung, Steuerung, Simulation und Analyse,“ unterstreicht Naruhiro Irino, Operating Officer of Advanced Technology bei DMG Mori.

Der Maschinenbauer adressiert damit eine wachsende Nachfrage nach intelligenter Automatisierungstechnik und Robotik in der Fertigung sowie Logistik. Von KI-gesteuerten Systemen versprechen sich Fabrikausrüster deutliche Vorteile in der Metallbearbeitung und der computergestützten Fertigung besonders im wettbewerbsintensiven Automotive-Sektor. So können KI-Algorithmen den Materialeinsatz verbessern, indem sie den besten Schnittweg und die effizienteste Materialaufteilung per Musteranalyse berechnen und zur Verfügung stellen.

Weitere Stellschrauben für eine intelligent gesteuerte Maschine ist ein optimal dosierter Energieverbrauch oder das selbständige Anpassen von Maschine und Anlage an unterschiedliche Bearbeitungsaufgaben. Zudem drückt ein niedriger Ressourcenverbrauch die Betriebskosten und schlägt sich günstig in der Ökobilanz nieder, etwa durch weniger CO2-Emissionen oder geringerem Materialausschuss.

Schaeffler setzt auf „Copilot“

Auch Schaeffler bewegt sich auf Transformationspfaden mit festem Blick Richtung Digitalisierung und KI-Einsatz: „Die konsequente Digitalisierung der Fertigung hat für Schaeffler höchste Priorität“, sagt Andreas Schick, Vorstand Produktion, Supply Chain Management und Einkauf bei Schaeffler. In einem gemeinsamen Projekt mit Kooperationspartner Siemens realisierten die Entwickler eine Pilotumgebung auf Basis des Siemens Industrial Copilot, einer KI-gestützten Automatisierungslösung für Fertigungsmaschinen.  Die KI-Lösung erstellt unter anderem komplexe Programmiercodes für Fertigungsprozesse durch einfache Spracheingabe seitens des Maschinenbedieners.

Weitere Assistenzfunktionen des Copilot sind das Aufspüren und Klassifizieren von Fehlerquellen in der Maschinensteuerung aber auch im laufenden Betrieb – Stichwort: Predictive Maintenance - sowie beim Datenaustausch zwischen Maschinen oder bei der Qualitätsprüfung beispielsweise von Steckverbindern.

Potenzial liegt in der Batterie-Wertschöpfung

Nicht wenige Fabrikausstatter sehen in der Batteriefertigung einen rasant anwachsenden Markt mit hohem Bedarf an Fertigungsequipment bis zu reinraumtauglichen End-of-Line-Anlagen. Eine Studie von Porsche Consulting und dem Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA) konstatiert: „Das Marktvolumen bis 2030 beträgt für Maschinen- und Anlagenbauer allein im Batteriebereich 300 Milliarden Euro. Ein Erfolg in diesem Wettbewerb würde Europa Zugriff auf die wichtige Zukunftstechnologie Batterie dauerhaft sichern und dabei viele Arbeitsplätze schaffen.“

Laut Studie lassen sich Leistungsfähigkeit und Herstellungskosten von verbaubaren Akkupacks durch effiziente Produktionstechnik und Expertise entlang der Wertschöpfungskette - von der Rohstoffaufbereitung über die Elektrodenproduktion und Zellmontage bis zur Modul- und Packproduktion - wirtschaftlich günstig beeinflussen. So liegen heute die im Rahmen einer Fallstudie von Porsche Consulting ermittelten Batteriekosten auf Zellebene bei 95 Euro pro Kilowattstunde. Durch Optimierung der Zelle und des Herstellungsprozesses sowie durch eine geeignete Standortwahl und Standortgröße ließe sich das bis 2030 auf 55 Euro reduzieren.

Die Planung und der Bau von Gigafactories für Batterien kommen hierzulande erst schleppend in Gang aber immerhin zeichnen sich erste Allianzen ab: Hightech-Maschinenbauer Manz kooperiert mit den Fabrikausrüstern Grob-Werk sowie Dürr und will serientaugliche Fertigungslinien für die gesamte Prozesskette der Batterieproduktion realisieren. Durch die gemeinsame Mobilisierung von Synergie- und Skaleneffekten und den gezielten Einsatz von Highend-Automatisierung, so die Erwartung der drei Unternehmen, ließe sich hierzulande eine schlagkräftige Fertigungsinfrastruktur aufbauen.

Das plant ABB in Sachen Batteriemontage

In den Startlöchern für den Aufbau einer europäischen Batterieproduktion steht auch Roboterhersteller ABB. „Automatisierung spielt eine Schlüsselrolle, wenn es darum geht, Sicherheit, Qualität und Rückverfolgbarkeit in der Fertigung zu erhöhen und Batterien kosteneffizient zu produzieren. All dies ist für die weitere Etablierung von Elektrofahrzeugen von entscheidender Bedeutung“, betont Tanja Vainio, Leiterin der globalen Business Line Auto Tier 1 bei ABB Robotics. Die Tech-Company verfolgt eine zellenbasierte Produktionsarchitektur mit integrierter Batteriepack-Montage, die sich eigenen Angaben zufolge ohne großen Aufwand in bestehende Montagelinien von Fahrzeugen einbinden lässt.

Produktionsgeschwindigkeit und Flexibilität sind laut ABB Robotics die wichtigsten Stellschrauben für das weitere Wachstum der Batteriebranche. Der Roll-out von Batteriezellen muss sich der Nachfrage anpassen und Kapazitätsänderungen schnell nachvollziehen. Mit dazu beitragen könnte die neue Steuerungsplattform Omnicore, die ABB für seine gesamte Roboterproduktfamilie konzipiert hat. Laut Firmenangaben ermöglicht die modulare Steuerungsarchitektur die vollständige Integration von KI-, Sensor-, Cloud- und Edge-Computing-Systemen, um moderne und autonome Roboteranwendungen zu entwickeln – ein Performanceplus auch für neue Batteriefabriken.

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