Mercedes legt seine G-Klasse neu auf und keiner sieht’s. Selbst Mountainbiker und Wandervögel, die in den vergangenen Monaten der Grazer Hausberg Schöckl erklettert haben, hielten das kantig-kastige Geländegerät für eine ganz normale G-Klasse aus lokaler Produktion. Kaum zu erklären daher die umfangreich aufgebrachte Tarnfolie, die weder Ecken noch Kanten so recht kaschieren vermochte. Wieso auch? Die G-Klasse kennt und liebt man seit fast 40 Jahren. 1979 rumpelte sie – einst als Wegbegleiter für Armeen und Förster erdacht – auf den Markt. Die Veränderungen und Modifikationen waren im Laufe der Jahrzehnte zahlreich, jedoch zumindest von außen alles andere als aufdringlich. Die G-Klasse ist und blieb trotz aller Modellpflegen schon immer das, was sie schon immer war.

Und das wird sich mit der neuen Auflage, die in knapp zwei Wochen auf der Detroit Motorshow NAIAS 2018 erstmals offiziell enthüllt wird, nicht ändern. Wer sie sieht, meint zumindest von außen beinahe das alte Modell vor sich zu sehen. Kleinere Detailarbeiten wie neue Scheinwerfereinheiten, eingeklebte Scheiben, rund fünf Zentimeter mehr in der Länge und ein sattes Breitenplus von über zehn Zentimetern sind unter den Tarnfolien kaum zu erkennen. Die großen Veränderungen gibt es nicht zuletzt durch den Zuwachs von Radstand und Breite im Innern, denn hier ist das einstige Arbeitsgerät nicht wiederzuerkennen. Auf Wunsch gibt es ein mächtiges Doppeldisplay statt betagter Runduhren, bequeme Sitze nicht nur vorn, sondern auch hinten – hier gibt es dank vier Zentimetern mehr Radstand imposante 15 Zentimeter mehr Beinraum. Unverändert gesetzt: Hecktür mit aufgesetztem Ersatzrad.

Die G-Klasse kennt auf dem Schöckl jeden Stein

Doch darum geht es Erwin Wonisch heute nicht, als er sein Arbeitsgerät erklimmt, um mit ihm auf den Schöckl zu rumpeln. Wonisch kennt die G-Klasse als Entwicklungsleiter seit seinem Einstieg bei Magna Steyr im Jahre 1976. „Nach wie vor ist und bleibt der Schöckl als unser Hausberg das Maß der Dinge, wenn es um die Geländegängigkeit geht. Ich weiß nicht, wie oft ich in den vergangenen 40 Jahren über die Teststrecken rauf- und wieder runtergefahren bin – meine Hüfte weiß ein Lied davon zu singen“, lacht der 62jährige, „an manchen Tagen fahren wir fünf- oder sechsmal rauf und wieder hinab, um Auto und Regelsysteme zu testen. Hier kenne ich jeden Stein.“ Und von den ihm allzu bekannten Steinen scheint er auf der Testtour in seinem neuen Spielzeug nahezu jeden mitnehmen zu wollen.

Er biegt nach wenigen Metern auf einen schmalen Waldweg ab und lässt die neue G-Klasse das machen, was sie am besten kann: klettern im härtesten Gelände. Land Rover Defender, Jeep Wrangler und Toyota Land Cruiser – bei Erwin Wonisch sorgen sie alle für kaum mehr als ein Lächeln. „Eigentlich haben wir mit der G-Klasse keine echte Konkurrenz“, strahlt er zufrieden, „was die kann, kann kein anderer.“ Das scheint sich auch mit der Neuauflage nicht geändert zu haben, um das, obschon die neue G-Klasse erstmals mit einer Einzelradaufhängung unterwegs ist. Leiterrahmen, Starrachse, drei Sperren und Geländeuntersetzung bleiben gesetzt, damit es auch im härtesten Gelände keine Überraschungen gibt. „Die neue G-Klasse ist nicht nur auf der Straße viel komfortabler als bisher“, erläutert Erwin Wonisch verschmitzt, als er die nächste Steigung ohne großen Schwung nimmt, „er kann durch das neue Fahrwerk und die Fahrprogramme auch im harten Geländeeinsatz mehr als bisher.“

Nach der Fahrt auf den rund 1.500 Meter hohen Berg namens Schöckl lässt sich daran nicht zweifeln. Im Gelände ist und bleibt die neue G-Klasse eine Macht. Länger und vor allem deutlich breiter als bisher ist sie dabei auf einem völlig anderen Komfortniveau unterwegs und zeigt im Gelände das, was sie schon immer konnte. Auf den kurzen asphaltierten Stücken zwischen den Offroadpassagen präsentiert sich das Fahrwerk weit komfortabler und weniger holprig. Angetrieben wird der getarnte Proband dabei von einem satt wummernden Vierliter-Turbo-V8, der dann ab Mai als G 500 mit rund 420 PS in den Verkaufsräumen der weltweiten Händlerschaft stehen dürfte.

Mit der neuen Generation der G-Klasse hat Erwin Wonisch mehr als 25.000 Kilometer zurückgelegt. „Die Tests waren härter denn je. Die Hälfte der Erprobung fand in den USA, Marokko, Schweden und Nordspanien statt“, blickt Mister G-Klasse, der südlich von Graz wohnt, zurück auf die letzten drei Jahre, „was wir mit der G-Klasse jetzt für eine Power haben, ist unbeschreiblich. Früher beim 240 GD oder 230 G hat der Wagen schon gehustet, wenn der die Düne von unten nur gesehen hat.“ Pro Entwicklung hat eine G-Klasse wie das neue Modelle mehr als 1.000 Schöcklfahrten hinter sich gebracht. Von den zehn Kilometern hoch und wieder herunter, zählen als reale Marterstrecke jedoch nur 6,2 Kilometer. Gerade erklimmt der rund 2,2 Tonnen schwere Koloss die nächste Steigung. Zu Fuß würde man hier kaum heraufkommen, doch den Testfahrern rund um Erwin Wonisch ringt die Kletterorgie ebenso wie der G-Klasse nicht einmal eine Anstrengungsfakte ab.

Die größten Schritte hat das neue G-Modell jedoch nicht im Gelände, sondern auf der Straße gemacht. Abseits befestigter Wege war kaum etwas zu verbessern, denn da ist das Kantholz aus Graz weltweit nach wie vor der Maßstab für alle Geländewagen. Anders als geplant, soll der Preis dabei auf dem Niveau des Vorgängers liegen. Heißt, der zum Marktstart verfügbare Mercedes G 500 dürfte bei rund 105.000 Euro beginnen. Die später verfügbaren Dieselversionen G 350d und G 400d mit 286 bzw. 340 PS sollten dann bei rund 90.000 bzw. 100.000 Euro starten. Wohl kaum vor 2019 ist die AMG-Version (nur noch als Achtzylinder) mit 600 PS sowie die ebenfalls zu erwartende Panzerversion zu erwarten. Ein nennenswerter Anteil der bisherigen Mercedes G-Klasse wurde als Schwerpanzerversionen für Armeen, Botschaftsdienste oder die Polizei produziert. Unter anderem setzen die GSG 9, Spezialeinheiten der Polizei oder der US-Armee seit Jahren auf gepanzerte G-Klassen.

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