4,30 Meter lang, 1,76 Meter breit und 1,59 Meter hoch - der Nissan Kicks scheint das in Europa völlig unbekannte Kind aus den Modellen Pulsar und Qashqai zu sein. Die fehlenden sieben beziehungsweise neun Zentimeter in der Länge macht er dabei durch ein wesentlich schärferes, wenn gleich auch polarisierendes Äußeres locker wieder wett. Zumal er in puncto Kofferraumvolumen mit 432 Litern sogar mehr zu bieten hat, als seine beiden Verwandten. Der im brasilianischen Rio de Janeiro pünktlich zu den Olympischen Spielen auf den Markt gekommene Nissan Kicks gefällt auf Anhieb. Hier wurde zur Abwechslung mal kein Design-Einheitsbrei in Stahl gegossen, sondern ein wirklicher Hingucker gefertigt. Da darf er sich auch ein paar Unzulänglichkeiten bezüglich seiner Fahreigenschaften und seines Preises ankreiden lassen.

Allerdings wirken 24.457 Euro dann doch ein wenig zu überteuert. Des Rätsels Lösung ist in diesem Falle aber nicht der Ertragswille japanischer Marketing- und Vertriebs-Chefs, sondern der des brasilianischen Staates. Bis zu 120 Prozent mehr kann ein importierter Neuwagen an der Copacabana kosten. In diesem horrenden Gesamtpreis stecken unter anderem 35 Prozent Importsteuer, Frachtkosten und 25 Prozent IPI. Mit letzterer ist der Imposto sobre Produtos Industrializados gemeint, was frei übersetzt so viel wie Steuer auf Industrieprodukte bedeutet. Ein Grund, wenn nicht gar der Grund, warum Nissan im kommenden Jahr unter anderem den Kicks in Brasilien produzieren wird.

Neben dem finanziellen Graus wäre zum einen noch seine äußerst gewöhnungsbedürftige Gasan- beziehungsweise -wegnahme-Reaktion zu bemängeln. Wird der Fuß vom rechten Pedal genommen, scheint der kleine Japaner sich noch ein letztes Mal aufbäumen zu wollen. An dieser Stelle heißt es aufpassen. Eine andere Unart hat er von seinen Brüdern vererbt bekommen. Sie hört auf den Namen Continuously Variable Transmission, kurz CVT, und steht für ein stufenloses Getriebe, das schon Fahrer eines Juke zur Weißglut getrieben hat. Ansonsten bietet er vieles, was Nissan-Kunden in Europa in ihren Neuwagen auch finden. Die 360 Grad-Kamera macht das Einparken zum Computerspiel mit Sicht von oben und zusätzlicher Heckkamera. Im Armaturenbrett lässt sich die linke Anzeigenseite großflächig konfigurieren. Eindrucksvoll wirkt hier der digitale Drehzahlmesser. Dass der Drehzahlmesser bei einem Automatikgetriebe ohne Schaltwippen oder andere manuelle Eingriffsmöglichkeiten zur Verfügung steht, macht Sinn, da ein manuelles Fünfgang-Getriebe nachgeschoben werden soll- Ein Getriebe, das die 114 brasilianischen PS aus dem 1,6 Liter großen Benzinmotor an die Vorderräder weiterleitet.

Auf dem Weg nach Europa?

Brasilianische PS darum, weil in den meisten der 80 weiteren Ländern, in denen der Kicks erhältlich sein wird, knapp 120 PS unter der Motorhaube entfesselt werden. Der Grund liegt darin, dass Brasilien der mittlerweile zweitgrößte Produzent von Ethanol ist. Und wer schon am Zuckerhut wohnt und Zucker abbaut, der kann auch mit Zucker, sprich Flexi-Fuel im Tank fahren. Dass der reale Verbrauch sich bei rund acht Litern einzupendeln vermag, ist bei einem Ethanol-Benzin-Preis in Höhe von aktuell 77 Euro-Cent zu verschmerzen. Normales Benzin ist mit 1,02 Euro satte 25 Cent teurer. Die auf Autobahnen erlaubte Höchstgeschwindigkeit von 120 Kilometern pro Stunde spielt dem Verbrauch sogar noch in die Karten. Den Normverbrauch von 4,6 Litern auf 100 Kilometern wird er aber auch bei Bergabfahrten nur schwer realisieren können. Und wer glaubt, dass ein 1,6 Liter kleiner Motor keinen Krach machen kann, der wird im Kicks eines Besseren belehrt. Zumindest dann, wenn dem 174 Kilometer pro Stunde schnellen Kicks die Sporen gegeben werden, feuert das CVT-Getriebe aus allen Rohren, um den 1.142 Kilogramm schweren Nissan vom Fleck zu bekommen. Aus dem Stand soll der Sprint bis Tempo 100 in zwölf Sekunden möglich sein. Angesichts der Straßenverhältnisse in Südamerika ist von solch einem Wahnsinns-Sprint jedoch abzuraten.

Auf den engen und holprigen Straßen Brasiliens zeigt der Nissan Kicks, dass er mehr kann als nur gut ausschauen. Seine Lenkung macht das, was von ihr verlangt wird. Nicht zu schwammig und nicht zu sportlich lässt sich der Kicks durch enge Kurven pilotieren. Beim Geradeauslauf erlaubt sich der Plattformbruder des Nissan Note und Micra zwar geringe Abweichungen, doch verhält es sich hier wie mit der Pünktlichkeit der Brasilianer: Sie wird zähneknirschend toleriert. Die Federung wirkt selbst bei groben Schlaglöchern vertretbar. Insgesamt wirkt er sogar eine Spur komfortabler gedämpft als seine europäischen Verwandten. Auch die Kopffreiheit ist selbst für großgewachsene Fahrer überraschend großzügig bemessen. Die Verarbeitung der Materialien bietet ebenfalls keinen Grund zum Meckern. Alles in allem bleibt zu wünschen, dass der heiße Brasilianer vielleicht doch irgendwann mal seinen Weg gen Europa antreten wird.

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