Es müssen nicht immer 1.000 PS sein oder mehr. Solange nur "Porsche" auf dem Motorblock steht, reichen auch mal 15. Zu den meist bejubelten Rennen bei der diesjährigen "Porsche Rennsport Reunion" auf der hügeligen Rennstrecke von Laguna Seca gehörten am Wochenende denn auch zwei Läufe mit historischen Traktoren aus der Produktion in Manzell am Bodensee, wo Porsche in den 1950er und Anfang der 1960er Jahre die Landmaschinen in Serie baute. Die beiden Traktorenrennen, die mit einem Le Mans-Start auf der Zielgeraden begannen und - dem eher mäßigen Tempo der Boliden geschuldet - nach 15 Minuten in Kurve Fünf planmäßig abgewunken wurden, waren bei dem Rennevent nur ein winziger Teil des Programms. Meist war deutlich mehr Kraft im Spiel. Etwa bei dem brachialen 917/30 am anderen Ende der Fahnenstange. Dessen 5.4L-V12-Motor bringt es auf über 1100 PS - bei einem Fahrzeuggewicht von gerade mal 800 Kilogramm.

Seit 2011 findet die Porsche Rennsport Reunion statt - zunächst im Osten der USA in Lime Rock Park, dann zwei Mal in Daytona Beach und seit 2015 nun in Kalifornien auf dem atemberaubenden Mazda Raceway Laguna Seca, unweit von Monterey. Die aktuelle Ortswahl hat einen guten Grund: Die meisten in den USA verkauften Porsche werden nach Kalifornien ausgeliefert. In keiner Region sonst setzt die Sportwagenmarke mehr Fahrzeuge ab. "Der Golden State", sagt Porsches USA-Chef Klaus Zellmer, "war für uns schon immer eine zweite Heimat."

Für die Zuffenhausener ist die spektakuläre Rennsport Reunion mittlerweile denn auch zum weltweit größten Markentreffen geworden. Über 60.000 Fans reisen teils rund um den Globus an, kaum ein Porsche-Rennwagen, der dort nicht zu finden wäre. Im Paddock-Zelt führt einer von drei im Jahre 1939 für das Rennen Berlin - Rom gebauten Typ 64 das Feld der 70 historischen Porsche Renner an. Unweit davon steht der 356 "Nr.1" Roadster aus dem Jahre 1948, das erste unter dem Namen Porsche gebaute Fahrzeug. Gleich am Eingang zu finden: Der eindrucksvoll eingestaubte (der Dreck ist echt und nicht mit Lack fixiert) "Dakar"-911er aus dem Jahre 1984, der 718 RS Spyder, in dem 1960 Hans Hermann und Oliver Gendebien bei den 12 Stunden von Sebring für Porsche das erse große internationale Langstreckenrennen gewannen und der Porsche RS Spyder, mit dem Porsche ab 2008 allein drei Hersteller-Championate in der amerikanischen Le Mans-Serie schaffte. Porsche, so scheint es, hat seine Museen leer geräumt und alles nach Kalifornien verschifft, was Motor und Räder hat.

Weissach Cup und Eifel Trophy

In der "Champion Garage" in der Boxengasse aufgereiht stehen elf besondere Siegerautos, darunter auch der 919 Hybrid Evo, der zuletzt nicht nur die Nordschleife in der Rekordzeit von 5:19,55 Minuten umrundete, sondern auch von 2014 bis 2017 in der WEC an den Start ging. Der 919 ist hier auf Abschiedstour und wandert von Laguna Seca direkt aufs Altenteil ins Porsche-Museum. Neu vorgestellt auf einer Party mit vorausgehendem Faßanstich: die Neuauflage des Porsche 935, deren Karosserie an den legendären Porsche 935/78 erinnert. Der neue, 700 PS starke Rennwagen wird in einer Kleinserie von 77 Stück gefertigt, wird bei Clubsport-Veranstaltungen und privaten Rennstrecken-Trainings eingesetzt. Seine Technik basiert auf der des 911 GT2 RS.

Für Porsche Fans ist die Rennsport Reunion das Paradies auf Erden. Überall krakelen die Rennmotoren, pfeifen die Ordner den Boliden den Weg aus dem Paddock zur Boxengasse frei, schrauben Mechaniker an Motoren, Bremsen oder Ölwannen. Und man kann ganz nah ran. Die hügeligen Wiesen rund um die Rennstrecke sind zugeparkt mit 911ern, deren Dächer das Licht der kalifornischen Sonne widerspiegeln. Auf einem Parkplatz-Bereich dürfen nur Porsche 959 abgestellt werden. Allein vom Porsche Club of America finden sich an diesem Wochenende über 1.500 Fahrzeuge in Laguna Seca.

Oktoberfest in Laguna Seca

Doch bei der Porsche Rennsport Reunion geht es nicht nur darum, sich Renntechnik ganz, ganz nahe anschauen zu können: In sieben Gruppen werden auch Rennen gefahren. Rücksicht wird dabei wenig genommen - egal wie hoch der Wert des Boliden auf dem Markt für historische Fahrzeuge auch sein mag. Bemerkenswert schon alleine die Namen der Rennen: "Weissach Cup", "Eifel Trophy", "Gmund Cup", "Stuttgart Cup" - Made in Germany zählt bei den Porschefans noch was. Rund 350 Fahrzeuge nehmen an den Rennen teil, vom aufgerüsteten 914er über Porsche Boxster, 356 Speedster, diversen 911ern, 917K bis hin zu 962ern. Eine digitale Geschwindigkeitsanzeige am Ende der Zielgeraden zeigt an, mit wie viel Mph der jeweilige Porsche gerade unterwegs war. Und das gelbe Blinklicht der Abschleppwagen, wenn es im Übereifer mal wieder Bruch gegeben hat.

Das diesjährige Motto des Treffens: Marque of Champions. Kaum irgendwo sonst können Rennsportfans und ihre Idole so nahe zusammen kommen. Auf dem Spaziergang durch den Paddock trifft man da unvermittelt auf Leute wie Jochen Mass oder Hans-Joachim Stuck, auf Mark Webber, Jörg Bergmeister oder Timo Bernhard. Ganz entspannt unterwegs auch Wolfgang Porsche, Aufsichtsratschef der Porsche AG. Hurley Haywood, der bislang erfolgreichste US-Amerikaner an Langstreckenrennen überhaupt und fünffache Daytona-Gewinner, Norbert Singer, der "Vater des Porsche 962", Jacky Ickx, sechsmaliger Le Mans-Sieger, Steve McQueens Sohn Chad, John O’Steen - mehr als 50 Fahrerlegenden sind gerade in Laguna Seca. Und mehrmals am Tag finden sie sich zur Autogrammstunde, für die eingefleischte Fans auch mal zwei Stunden anstehen. Schon am zweiten Tag mahnt ein Pappschild, doch bitte nur höchstens zwei Teile zum Signieren mitzubringen.

Die Fans sind bei dem Event denn auch genau so wichtig für die Stimmung als die Autos. Auf einer riesigen weißen Wand hinter den Autogrammplätzen können sie selbst ihren Namen verewigen. Die Schlange vor dem Verkaufsshop von Porsche-Devotionalien ist ähnlich lang wie die vor dem Space Mountain in Disneyland. Weil in Deutschland gerade Oktoberfest ist, gibt es an Verkaufsständen Bratwurst mit Sauerkraut, Kartoffelsalat, Pommes Frites und etwas, was zumindest von Form und Farbe her so aussieht wie eine "Bavarian Pretzels". Auch die Preise entsprechen denen auf der Wiesn.

Billig ist es auch für die Teilnehmer der Rennsport Reunion nicht unbedingt - selbst, wenn sie nur mit ihrem Traktor kommen. Für 550 Dollar Anmeldegebühr gibt es einen Standplatz im Paddock, zwei Eintrittskarten, einen VIP-Parkausweis und ein kleines Geschenk. "Porsche war noch nie für niedrige Preise bekannt," meint Klaus Zellmer trocken.

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