Rund 44 Prozent der Autofahrer weltweit ordern ihren Neuwagen mit manueller Gangschaltung. Regional gibt es dabei durchaus Unterschiede. Während die USA ganz überwiegend Automatik fahren, wird die Handarbeit vor allem in Europa (61 Prozent) und in Asien favorisiert. Doch selbst dort unterscheiden sich die einzelnen Märkte teils erheblich: In China machen die Handschalter 58 Prozent der Neufahrzeuge aus, auf dem indischen Subkontinent sind es satte 97 Prozent. Außer in China wird sich diese Aufteilung auch die nächsten zehn Jahre nicht gravierend ändern, prognostiziert Schaeffler. Weltweit werde der Anteil der Handschalter gerade mal auf 41 Prozent sinken, in China um 18 auf 40 Prozent.
Doch das Potenzial auch der mechanischen und hydraulischen Kupplung ist offensichtlich noch nicht ausgeschöpft. "E-Clutch" heißt die Entwicklung, mit der Schaeffler die Optionen auch manueller Getriebe in drei Ausbaustufen optimieren will - vom Segeln bis zum elektrisch unterstützten Fahren. "Das ebnet auch dem Handschaltgetriebe den Weg in die Hybridisierung", sagt Matthias Zink, bei Schaeffler für den Unternehmensbereich Getriebe zuständig.
In der ersten Ausbaustufe MTplus platziert Schaeffler einen zusätzlichen Aktuator. Der wird direkt in die Druckleitung eingebaut und setzt elektrische Signale der Pedalerie in mechanische Bewegungen um. Das senkt nicht nur die Anforderungen an die Betätigungszeit und -anzahl, sondern ermöglicht auch das "Segeln": Bei konstanter Fahrt wird der Motor vom Getriebe getrennt und läuft entweder im Leerlauf oder wird ganz ausgeschaltet. Das Fahrzeug rollt vom eigenen Schwung getrieben weiter. Bis zu drei Prozent Kraftstoff lässt sich so sparen, im Stadtverkehr geht Schaeffler gar von acht Prozent aus.
Sport-Modus brutal
In der Praxis erweist sich das "Segeln" mit Handschaltung ähnlich simpel wie bei damit ausgerüsteten Automatikfahrzeugen. Es reicht, den Fuß vom Gas zu nehmen. Das Auskoppeln übernimmt MTplus. Der jeweilige Gang kann eingelegt bleiben, der Fahrer muss den Schalthebel also nicht in die neutrale Position bewegen. Das Abkoppeln des Motors lässt sich praktisch kaum wahrnehmen - lediglich ein Symbol im Drehzahlmesser und der Drehzahlmesser selbst zeigen das Segeln an. Die Betätigung des Gaspedals koppelt den Motor genau so unmerklich und ruckfrei wieder an.
In der zweiten Ausbaustufe "Clutch-by-wire" ersetzt Schaeffler die mechanische und hydraulische Anbindung des Kupplungspedals an das Getriebe komplett durch einen im Ausbau skalierbaren Aktor. Der besitzt in zwei Bauteilen einmal die Elektronik, einen Elektromotor und einen Spindeltrieb und zum anderen ein hydraulisches oder mechanisches Modul. Über einen sensorisch gesteuerten Pedalkraftsteller sorgt das System dafür, dass der Fahrer am Fuß nichts von der Automatisierung der Kupplungsbetätigung merkt.
Ab Ende 2017 in Serie?
Der Prototyp lässt sich denn auch ganz so fahren, wie vom Handschalter gewohnt. Das Kuppeln per Pedal selbst fällt deutlich schneller und auch noch etwas ruppiger aus - aber das dürfte schlicht Gewöhnungssache sein. Interessant auch, dass sich mit dem System verschiedene Kennlinien für die Kupplung tunen lassen - ähnlich wie der Sport-Modus bei Automatikgetrieben. Die Wirkung kann dabei durchaus brutal sein: Im Prototyp gibt es eine extreme Kennlinie, die den Kupplungsschluss sofort wirksam werden lässt - ein Schlag ins Kreuz und der Opel Corsa knallt sofort los.
Je höher die Entwicklungsstufe, desto länger die Namen: "Elektronisches Kupplungsmanagement" (EKM) hat Schaeffler sein drittes E-Clutch-System getauft. Es verzichtet ganz auf das Kupplungspedal. Über einen Sensor am Schalthebel "merkt" EKM, wenn der Fahrer - weiterhin manuell - zum Schalten ansetzt und kuppelt automatisch aus. Ist der Gang eingelegt, wird ebenso automatisch wieder eingekuppelt. EKM eröffnet auch die Möglichkeit, einen Elektromotor in den Antriebsstrang einzufügen. Der könnte dann mit ausreichend großer Batterie und einem 48-Volt-Bordnetz die Arbeit zum Beispiel beim Einparken übernehmen und immer sonst, wenn der Benziner unwirtschaftlich arbeitet.
Wer das Fahren mit manuellem Schaltgetriebe gewohnt ist, für den ist EKM erst einmal etwas gewöhnungsbedürftig. Bei jeder Betätigung des Gangwahlhebels auf der Mittelkonsole sucht der linke Fuß erst einmal reflexhaft das Kupplungspedal. Aber auch das ist schnell gelernt. Das Schalten selber ist deutlich präziser und kupplungsschonender als bei einem rein mechanischen System. Das Anfahren funktioniert problemlos und ähnlich wie bei einem Automatikgetriebe: Erster Gang rein, anrollen lassen oder gleich Gas geben - und los geht's.
Wie viel E-Clutch letztlich kosten wird, wenn es denn womöglich ab Ende 2017 in Serie geht, lässt sich derzeit noch kaum sagen und dürfte auch von Autohersteller zu Autohersteller verschieden sein. In jedem Fall, so Matthias Zink, werde "der Kostenvorteil der Schaltgetriebe gegenüber den Automatikgetrieben erhalten bleiben". In den meisten Fällen dürften die Mehrkosten ohnehin in die zusätzlichen Optionen wie Hybridantrieb mit einfließen.