Li Auto

Li Auto ist auf dem chinesischen Heimatmarkt eine ernstzunehmende Konkurrenz für die deutschen Premiumhersteller. (Bild: Li Auto)

Der Gründer und Namensgeber von Li Auto kommt aus dem Onlinesektor. Diese virtuellen Gene prägen auch die Fabriken von Li Auto, sie sind in den Li-Fahrzeugen enthalten. Li Xiang wurde 1981 geboren. „Meine Lehrer und Verwandten dachten, ich sei zu nichts zu gebrauchen, weil meine schulischen Leistungen schlecht waren, also startete ich eine persönliche Website“, beschreibt er seinen frühen Berufsstart. Li Xiang gründete 1999 das Webportal PCPop.com und danach Autohome.cn.

2015 gründete Li Xiang das Autoprojekt Chehejia (Auto und Heim), um seine Erfahrungen und Kontakte in ein reales Produkt umzusetzen. Für seine Expansion erhielt es Gelder von Onlineportalen wie Meituan-Dianping und ByteDance, das die Kurzvideo-App TikTok betreibt. Im Jahr 2018 gründete Li Xiang ein Joint Venture mit DiDi, Chinas größtem onlinebasieren Mitfahrdienstunternehmen, zur Entwicklung von Elektrofahrzeugen. Das Projekt scheiterte, da die Zentralregierung keine Lizenzen zur Produktion von Elektrofahrzeuge genehmigte.

Börsengang bringt Milliarden

Li Xiang entwickelte sein Projekt weiter, gelangte durch eine Firmenübernahme zu einer Produktionslizenz und plante einen Börsengang. Seit 2020 nennt er sein Unternehmen nach sich Li Auto. Am 30. Juli 2020 sammelte er bei einem Börsengang an der US-amerikanischen Technologiebörse NASDAQ 1,1 Milliarden US-Dollar ein. Der Börsengang in Hongkong im Jahr 2021 brachte weitere 1,7 Milliarden.

Im Gegensatz zu den meisten anderen Elektrofahrzeugherstellern ist Li Auto auf sogenannte EREVs (Extended Range Electric Vehicles) spezialisiert, die entweder mit Strom oder Benzin betrieben werden können. Damit spricht die Marke andere Kunden an als Xpeng und Nio.

Aus Changzhou in die Welt

Die Produktion startete in der Fünf-Millionen-Stadt Changzhou in der Provinz Jiangsu, etwa 200 Kilometer nordöstlich von Shanghai. Das zweite Werk in Peking war ursprünglich eine Fabrik von Beijing Hyundai. Li Auto begann im Oktober 2021 dort mit dem Bau einer eigenen Anlage zur Produktion seines erstens vollelektrischen Modells.

Das dritte bereits im Bau befindliche Werk in Chongqing wird vorläufig nicht realisiert. Die Zentralregierung schränkte neue E-Auto-Projekte ein, um die Überkapazitäten zu begrenzen und erteilte keine Genehmigung. Li Auto sagt das Projekt daher im Juni 2023 ab.

Li Auto setzt auf datenbasierte Produktion

Li Auto konzipiert die Fabrik und die Produktionssysteme selbst. Sie basieren auf einem durchgängigen Datenkreislauf. Die Produktion wird durch intelligente Software und Datenmanagement mit dem Fertigungsbetriebssystem Li-MOS, dem Cloud-Warnsystem Lianshan und einem digitalen Zwillingssystem gesteuert.

„TPS (Toyota Lean Production Method) war im Zeitalter des traditionellen Automobilbaus immer der Maßstab der Branche und weltweit führend. Angesichts des immer härter werdenden Wettbewerbs im Automobilbau reicht es jedoch nicht aus“, erklärt Li Bin, Leiter von Li Auto Manufacturing. Es sei notwendig, die schlanke Produktion mit automatisierten, digitalen und auch mit intelligenten IT- und KI-Technologien zu optimieren.

"Wir verwenden automatische Montageroboter, um die traditionelle manuelle Montage zu ersetzen. Eine große Anzahl von visuellen Wahrnehmungsrobotern nimmt automatisch Bilder auf, beurteilt diese dann nach einem Algorithmus, um instabile Anomalien und Defekte durch visuelle Inspektion zu identifizieren und Maßnahmen für die Problempunkte zu ergreifen und um zu verhindern, dass das Problem auf die nächste Arbeitsverbindung übergreift", so Li Bin.

Smart Driving mit KI und eigene Chipfertigung

Li Auto baut ein eigenes Team mit 800 Spezialisten auf, um eine durchgängige KI-Technologie zu entwickeln. Laut chinesischen Medien verstärkt Li Auto seine Bemühungen, Chips im eigenen Haus zu entwickeln, und arbeitet sowohl an einem KI-Inferenzchip für intelligente Fahrszenarien als auch an einem Siliziumkarbid (SiC)-Leistungschip für den Antrieb von Motorsteuerungen .Derzeit sind in der Chipsparte von Li Auto mehr als 160 Mitarbeiter in Peking, Shanghai, dem Silicon Valley und Singapur beschäftigt.

10.000 Ladestationen bis Jahresende

Für 2023 gab es noch Jahresendboni zwischen vier und acht Monatsgehältern. Doch die geplanten Verkaufszahlen des neuen ersten reinen Elektrofahrzeugs wurde weit unterschritten. Massenentlassungen und Gehaltskürzungen standen auf der Tagesordnung.

Mit dem zügigen Ausbau der Ladeinfrastruktur möchte Li die Probleme des Konzerns, die sich Ende vergangenen Jahres zuspitzten, lösen. Im Juni 2024 unterzeichnete Li Auto eine Partnerschaftsvereinbarung mit PetroChina Kunlun Wanglian, einem Pionier beim Aufbau von Ladesnetzen. Li Auto plant, in dieser Kooperation bis Ende 2024 in China 2.000 Supercharger-Stationen mit insgesamt mehr als 10.000 Ladestationen zu errichten.

Selbstkritik als Basis für Problemlösung

Noch Anfang März 2023 lag der Aktienkurs von Li Auto über 40 Euro. Sein Marktwert war höher als der von traditionellen Automobilunternehmen wie Ford, GM oder Hyundai. Die folgende Absatzschwäche und strukturelle Probleme ließen die Aktie in den Keller rauschen, der Kurs halbierte sich.

In einem Mitarbeiterbrief übte Li Selbstkritik und suchte nach Lösungsmöglichkeiten. „Wir sind zu sehr mit den Verkäufen und dem Wettbewerb in allen Bereichen beschäftigt, sodass die Absatzziele den Nutzwert überflügeln. Das begehrliche Streben nach schnellem Wachstum macht uns zu Menschen, die wir hassen“, so Li. Das bis Ende 2024 angekündigte neue Elektromodell werde bis Anfang 2025 verschoben. Zuerst müssten genügend eigene Ladestationen zur Verfügung stehen, damit eine optimale Nutzung des neuen Fahrzeugs gesichert sei. Die Neuausrichtung scheint anzukommen. Im September legte Li Auto an der Börse wieder um mehr als 40 Prozent zu.

Li Auto überholt deutsche Premiummarken

Für die nächsten Jahre plant Li Auto keine Exporte. Auch wenn Li-Modelle in absehbarer Zeit kaum in Europa zu sehen sein werden, könnte Li Auto für die deutschen Premiumhersteller gefährlich werden. Der Konzern konzentriert seine Kräfte auf den chinesischen Markt, der für deutsche Produzenten jahrelang wichtigster Absatzmarkt und Gewinnbringer war. Immer weniger deutsche Premiummodelle werden dort zugelassen, und immer mehr Li-Modelle sind dort auf den Straßen zu sehen. Li Auto übertraf im September die Verkäufe von Mercedes-Benz, BMW und Audi und lag hinter dem Branchenriesen Tesla an zweiter Stelle bei den Premiummarken.

Nicht nur der günstige Preis ist eine große Herausforderung. Noch mehr ist dies ein Produkt, das aus der Internet-Ökonomie kommt. Die Marke und ihr Gründer Li Xiang, werden online in vielen Foren wie ein Popstar gefeiert – oder abgestraft.

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