Volkswagen Group South Africa, Kariega

Der VW Polo als Exportmodell und Variante für den südafrikanischen Markt ist derzeit das einzige Modell, das in Kariega montiert wird. (Bild: Volkswagen AG)

Martina Biene und Ulrich Schwabe sind in Party-Stimmung. Nicht nur, dass die Afrika-Chefin des VW-Konzerns und ihr Werksleiter im letzten Jahr in Kariega auf halbem Weg zwischen Kapstadt und Johannesburg 167.084 Autos produziert und damit einen historischen Höchstwert aufgestellt haben. Nein, in diesem Jahr feiert auch noch ihr wichtigstes, aktuell sogar einziges Modell, einen runden Geburtstag: Denn vor 50 Jahren hat VW den Polo präsentiert und nachdem der kleine Bruder des Golf schon in Wolfsburg, Zwickau, Bratislava, Brüssel, Martorell und zuletzt in Pamplona produziert wurde, ist die Fabrik in der Nelson Mandela Bay-Region am Stadtrand von Port Elizabeth mittlerweile die letzte, in der er noch immer vom Band läuft.

Und zwar in gleich zwei Generationen, die sich in trauter Eintracht eine Montagelinie und eine Durchlaufzeit von knapp zwei Tagen teilen: Denn während VW für Afrika aber vor allem für den Rest der Welt den aktuellen Polo vom 80 PS-Dreizylinder bis zum GTI mit 207 PS bauen, der in Kapstadt genauso verkauft wird wie in Kaiserslautern oder in Kawasaki und Kariega einen Exportanteil von fast 75 Prozent beschert, schrauben sie ausschließlich für den lokalen Markt auch noch den erst jüngst wieder aufgefrischten Vorgänger unter dem Namen Polo Vivo auf der ebenso alten wie bewährten Plattform PQ35 zusammen – und bauen für den auch gleich die Motoren, während VW die Hightech-Aggregate für die neue Generation über den Hafen im nahen Port Elizabeth aus Chemnitz bekommt.

Leidenschaft für alten und neuen Polo

Dass in Afrika alte Modelle mit Erfolg aufgetragen werden, hat in Kariega bereits eine lange Tradition. Denn als VW 1983 in Wolfsburg die Produktion des ersten Golf eingestellt hat, haben die Niedersachsen irgendwie vergessen, in Südafrika Bescheid zu sagen. Deshalb haben sie den Klassiker als Citi-Golf noch bis 2009 als billiges Einstiegsmodell weiter gebaut und damit im ganzen südlichen Afrika das Straßenbild geprägt.

Und mit dem Polo machen sie es jetzt genauso. Schließlich sind es vor allem der alte und der rund 25 Prozent teurere neue Polo sowie der von Ford ebenfalls in Südafrika produzierte Amarok, die VW hier einen Marktanteil von 17 Prozent sichern, sagt Regional-Chefin Biene. Bei landesweit etwa 360.000 Neuzulassungen im Jahr muss sie sich vor allem der Koreaner und der auch in Afrika besonders schnellen und agilen Chinesen erwehren. Aber Angst, dass sie den Vivo als seit Jahren meistverkauftes Auto in Südafrika von der Spitze verdrängen, muss sie noch nicht haben.

Nachhaltigkeit auf mehreren Ebenen

Ihr 518.000 Quadratmeter großes Werk läuft deshalb fast an der Kapazitätsgrenze: Sechs Tage die Woche und in drei Schichten stehen die gut 2.000 Produktions-Mitarbeiter, die mit einem Schnitt von 45 Jahren und einem Frauenanteil von bald 50 Prozent eine ähnliche Demographie haben wie in Deutschland, am Band. Zusammen mit den 650 Robotern im Karosseriebau und den wenigen in der Endmontage kommen sie auf 710 Jobs pro Tag. Die wenige freien Schichten am Sonntag brauchen sie zur Wartung der Bänder, die sonst schließlich nie stillstehen. Und da die Produktion hier zurückgeht auf das Jahr 1949, gibt es im ältesten VW-Werk außerhalb Deutschlands aller Modernisierungen zum Trotz eigentlich immer was zu reparieren, sagen Schwabe und Biene.

Und wenn sie nicht erneuern oder reparieren, dann machen sie das Werk fit für 2030, wenn auch in Afrika CO2-neutral produziert werden soll. Dafür haben sie nicht nur Solaranlagen aufs Dach geschraubt und in Windkraft investiert, was zugleich gegen die früher häufigen Stromausfälle hilft, denen immer wieder ganze Schichten zum Opfer fallen. Sondern sie haben auch ihren Wasserhaushalt konsequent auf Regenwasser und Recycling umgestellt und bitten die Belegschaft einmal im Jahr für eine Woche zur Gartenarbeit: Während auf der Teststrecke ein Biotop entsteht, wachsen deshalb jetzt überall lokale Speckbäume, die pro Hektar vier bis acht Tonnen CO2 absorbieren.

VWs Werk in Kariega in Zahlen:

In Betrieb: seit 1951

Fläche: 518.378 Quadratmeter

Produktion: 167.084 Fahrzeuge und 23.195 EA111 Motoren,

710 Einheiten pro Tag

Modelle: Volkswagen Polo, Polo GTI und Polo Vivo; EA111 Motoren

Beschäftigte: 3.558 (12/2024), davon 2.048 in der Produktion

Kapazitäten frei für neuen Geländewagen

Der Anfang war freilich vergleichsweise bescheiden. Denn ursprünglich in südafrikanischer Hand, wurden bei den South African Motor Assemblers and Distrubutors (SAMAD) am damals noch Uitenhage genannten Standort zwei Jahre lang Studebaker montiert, bis 1951 die ersten Käfer kamen. Und erst 1956 hat VW dann SAMAD schrittweise übernommen und von einer SKD- auf eine normale Fertigung umgestellt. Die hat über die Jahre allerdings ziemlich wirre Blüten getrieben, hat Schwabe in seinen vier Jahren in Afrika gelernt: Denn bis zu elf Modelle haben sie hier parallel gebaut, zählt der Werksleiter auf und will sich das Chaos gar nicht ausmalen.

Derzeit dagegen läuft alles in ausgesprochen geordneten Bahnen und ausgerechnet jetzt zum Polo-Geburtstag haben sie zwar viel Platz für die Party - aber niemand ist da, der mit ihnen feiern könnte. Denn aktuell ruht das Werk und sie bauen die Produktion um für ein drittes Modell: Ab 2027 fertigen sie hier neben dem Vivo und dem Polo auch noch ein kleines SUV, das in Brasilien als Tera entwickelt und hier im R&D-Center für das Klima und die Straßen am Kap der Guten Hoffnung angepasst und in Auftritt, Ambiente und Ausstattung lokalisiert wurde.

Der bislang noch namenlose Geländewagen, da ist sich Biene sicher, hat das Zeug, zur Nummer eins in Afrika zu werden und damit in dem Spuren von Citi Golf und Polo Vivo zu fahren. Aber kann Kariega das dann alles stemmen, wenn das Werk schon jetzt nahezu am Limit läuft? Angst, dass ihr dafür die Kapazitäten ausgehen, hat Afrika -Chefin Biene nicht. Denn sie weiß, das zumindest in Europa und dem Rest der Welt die Tage des Polos gezählt sind, zumindest dessen, den sie hier bauen. Oder hofft es jedenfalls. Denn irgendwann wird die Elektromobilität doch hoffentlich anspringen, und dann hat das einzige vollwertige VW-Werk in Afrika auch wieder mehr Platz für mehr Autos für Afrika.

Sie möchten gerne weiterlesen?