Ein McLaren gehört ohne Frage noch immer in die Kategorie Supersportwagen mit Seltenheitswert. Und wenn einer der scharf gezeichneten Sportler mal zu sehen ist, dann in den meisten Fällen nur sehr kurz. Denn die Briten sind schnell. Schnell und dank einer der besten Lenkungen im gesamten Automobilbereich auch noch sehr flink und vor allem präzise. Beim aktuellsten Sprössling der McLaren-Familie, dem 570S Spider ist das nicht anders. Und ja, das 570 PS starke Cabrio schreibt sich tatsächlich mit einem i und nicht mit einem y. Die sexy Spinne von der Insel ist dabei nicht weniger als ein weiterer Versuch der Marke McLaren, Sportwagenkunden aus einem Porsche Turbo S, einem Ferrari California T oder einem Lamborghini Huracan in ihr eigenes Netz zu ziehen. Mit einer Höchstgeschwindigkeit von 328 Kilometer pro Stunde bei geschlossenem und 315 km/h bei geöffnetem Dach braucht sich der 570S Spider zumindest in diesem Punkt vor niemandem groß verstecken. Ähnliches gilt für seinen Einstiegspreis in Höhe von 208.975 Euro. Damit liegt er so ziemlich auf Augenhöhe seiner Fressfeinde. Der klebrigste Faden des 570S Spider ist allerdings sein Gesamtauftritt und zu dem gehört ohne jeden Zweifel das V8-Orchester, welches bei einer Tunnel-Durchfahrt zu einem wahren Ohrgenuss führt.
Schon die nur allzu selten zu sehende Außenhaut wirkt auf viele Passanten auf eine gewisse Art magisch. Na gut, über das Heck sind sich die Design-Götter noch ein wenig uneinig. Die Summe der einzelnen Designelemente ist jedoch äußerst stimmig. Die Tatsache, dass das Klappdach 46 Kilogramm mehr in den nun 1.486 Kilogramm schweren Sportler bringt, dürfte nur Quartettspieler stören. Für alle anderen wirkt das Mehrgewicht wie ein knapper Extra-Zentner Adrenalin. Immerhin: Das nervige Fensterrunterfahren vor jedem Tunnel entfällt. Cabriofahrer fahren normalerweise gern offen, weil sie zum einen so natürlich noch besser gesehen werden können, aber zum anderen, damit sie die Natur besser erleben und genießen können. Das ist bei einem McLaren-Fahrer nicht groß anders. Allerdings besteht dieses Naturerlebnis aus der wunderschönen Landschaft und dem brachialen Sound des Achtenders hinter der eigenen Nackenmuskulatur, die so ganz nebenbei erwähnt dank der 3,2-Sekunden-Sprintfähigkeit und der gewaltigen Traktion bei jeder Fahrt ins Trainingslager geschickt wird.
Und genau das ist eines der Kernprobleme beim McLaren 570S Spider. Der 600 Newtonmeter starke Freiluftspender mit seinem sehr wirksamen absenkbaren Glas-Windschott will hart angepackt werden. Gern auch bei mancher Kurvenausfahrt ein wenig härter, als es das Gripniveau der angetriebenen Hinterräder zulässt. Doch selbst beim zu starken Herausbeschleunigen und dem zwangsläufigen Übersteuern sorgt die Traktionskontrolle nicht etwa für einen Abbruch der Situation, sondern ganz im Gegenteil: Sie unterstützt den Fahrer bei seinem herrlich kontrollierten Drift. Nicht nur an dieser Stelle, sondern auch beim Launch-Control-Start greift sie helfend und nicht blockierend ein. Eine komplette Deaktivierung ist somit zu keinem Zeitpunkt notwendig und auch nicht ratsam. So gemütlich und harmonisch der reine Hecktriebler sich auch im Grenzbereich gibt, so schnell kann der Spaß bei zu viel Übermut zu einem teuren und schmerzhaften Ende führen. Sollte, trotz aller Vorsichtsmaßnahmen, es dennoch zu einem harten Einschlag kommen, sorgt zumindest das Karbonfaserchassis für ein Mehr an Sicherheit.
Im Innenraum hat sich im Vergleich zum Coupe nahezu nichts verändert – mit Ausnahme zweier Schalter in der Mittelkonsole zur Bedienung des bis Tempo 40 öffnen- und schließenden Verdecks und des Windschotts. Weiterhin dürfen Besitzer eines McLaren sich an einer echten Schaltwippe am griffigen Lenkrad und einem Kampfjet-ähnlichen Tachoanblick erfreuen. Die Bedienung der Anzeigen und der schadenminimierenden Front-Anhebefunktion bleiben auch im Cabrio ein wenig undurchsichtig und umständlich und die Sichtbarkeit des hochkant eingebauten 7-Zoll IRIS Touchscreen beträgt bei der Benutzung einer Sonnenbrille mit polarisierten Gläsern gleich null. Zeitgemäß ist anders. Auch anders, da überhaupt erst jetzt vorhanden, ist neben dem vorn liegenden Kofferräumchen mit 150 Litern Stauraum ein 52 Liter fassendes Gepäckfächchen genau dort, wo sich im geöffneten Zustand das Verdeck verbirgt. Die Bedienung dieses Fachs erfolgt durch Knöpfe in den dihedral öffnenden Scherentüren und ist äußerst sehenswert und vor allem bequem. Bleibt eigentlich nur noch zu hoffen, dass die meisten McLaren 570S Spider nicht wieder in irgendwelchen Garagen verschwinden oder lediglich zur Wochenendausfahrt genutzt werden. Denn schon allein der Anblick und erst recht der Klang eines solchen Exoten kann für ein paar Minuten gute Laune sorgen.