In Zentraleuropa ist der Audi A6 eine große Nummer und konnte der direkten Konkurrenz aus München und Stuttgart gerade als Kombiversion Avant über Jahre problemlos das Wasser reichen. Weltweit betrachtet sah es zuletzt ganz anders aus, denn der Rückstand auf 5er BMW und Mercedes E-Klasse war trotz der erfolgreichen A6-Langversion für China mächtig und lag pro Jahr bei bisweilen über 100.000 verkauften Autos. Mit dem neuen A6 will Audi zurück in die erste Reihe und sich bestenfalls zunächst die Mercedes E-Klasse und dann den Segmentführer BMW 5er packen. Das Ganze wird kein leichtes Unterfangen, doch man kann den Ingolstädtern nicht unterstellen, als hätten sie wieder einmal nichts riskiert. Waren gerade die Limousinenversionen der vergangenen A6-Generationen zumeist müde Nummern, so sieht es bei der achten Auflage anders aus. Massige Front mit mächtigen Lufteinlässen, dazu leicht zugekniffene Auge, leicht ausgestellte Radhäuser, die die Taillierung unterstreichen – der neue Audi A6 sieht schick aus und kann zu allem Überfluss noch mit Rädern bis zu 21 Zoll Größe bestellt werden. So mächtig waren einst nur die Waschmaschinentrommeln bei Escalade, Hummer H2 und Range Rover.
Hätte der 4,94 Meter lange Audi A6 noch mutiger sein können? Durchaus. Noch etwas dickere Backen, noch etwas mehr Taille und ein etwas schärferes Heck - wünschenswert allemal und auf einigen Märkten hätte das sicher auch bestens funktioniert. Doch bei einem solchen Massenmodell in der Businessklasse ist kein Platz für mutige Extravaganzen, denn das Volumen macht die Musik. Und Langweile kann man dem schneidigen Design von Chefkreativkraft Marc Lichte ohnehin nicht unterstellen. Das gilt nicht nur für das äußere Erscheinungsbild, wo dem Sauerländer die im Unsichtbaren verborgenen Auspuffendrohre wohl weit weniger Kopfzerbrechen bereitet haben, als die beiden Sensoren im Kühlergrill, die ausschauen, als wäre der kommende Audi A6 als Option auch mit Blaulicht-Flashern der Ordnungsbehörden zu ordern. Für die zukünftigen Funktionen der Fahrerassistenzsysteme sind die Sensoren nicht mehr derart geschickt zu verstecken wie einst und die Bauhöhe ist nicht zuletzt durch die Modulbauweise verschiedener Modelle vorgegeben.
Im Innenraum bietet der neue Audi A6 das exzellente Bild, was man bereits beim A8 zu schätzen gelernt hat. Zwei große und leicht zu bedienende Bildschirme machen den Dreh-Drück-Steller viel schneller entbehrlich, als man es sich hätte vorstellen können. Der obere Bildschirm dürfte gerne noch etwas größer als die angebotene 10,1 Zoll Diagonale sein, doch die Bedienung klappt problemlos, die Auflösung ist kristallklar und die Spracheingabe exzellent. Verarbeitung, Sitze und Platzangebot – hier stellt das Ingolstädter Oberklassemodell die Konkurrenz aus dem In- und Ausland vor eine große Aufgabe. Vorne wie hinten finden auch groß gewachsene Hünen ein angemessenes Platzangebot. Überflüssig zu erwähnen, dass 530 Liter Laderaum mehr als ausreichend sind und es endlich auch bei der Limousine eine elektrische Heckklappe gibt – leider nur als Option.
Die wichtigste Neuerung beim Antrieb des Audi A6, der im Juni auf den Markt kommt: es gibt keine Handschaltung mehr. In dieser Liga hat eine manuelle Getriebewahl schon seit Jahren nichts mehr verloren und immer wieder überraschte, dass weder Mercedes noch BMW bei E-Klasse und 5er den Mut hatten, die Handschaltung herauszuwerfen, um einen niedrigeren Preispunkt realisieren zu können. Wer sich für einen Audi A6 entscheidet, muss künftig auch bei den schmalen Basisversionen nicht mehr zum entbehrlichen Schaltgestänge greifen. Zum Marktstart wird der neue Hoffnungsträger in drei Diesel- und einer Benzinvariante angeboten. Basismodell ist der zwei Liter große Vierzylinder-Commonraildiesel, der nicht mehr 2.0 TDI heißen darf, sondern die sinnfreie Bezeichnung A6 40 TDI trägt. Der einzige Fronttriebler leistet 150 kW / 204 PS und ein maximales Drehmoment von 400 Nm. Als Allradler kommt er im Herbst. Die stärkeren Diesel mit standesgemäßen sechs Brennkammern leisten 170 kW / 231 PS bzw. 210 kW / 286 PS und 500 sowie 620 Nm maximales Drehmoment. Der sparsamste Diesel dürfte rund vier Liter verbrauchen. Einziger Startbenziner ist der Audi A6 mit drei Litern Hubraum und V6-Turbo, der 250 kW / 340 PS leistet und 250 km/h schnell ist. Alle Drei-Liter-Versionen werden über alle vier Räder angetrieben, wobei die beiden V6-Diesel eine Achtgang-Automatik besitzen und in den beiden anderen Modellen ein Siebengang-Doppelkupplungsgetriebe verbaut ist.
Das dürfte der normale Kunde bei der Fahrt ebenso wenig merken, wie dass sich der Hinterradantrieb bei den Versionen mit Doppelkupplungsgetriebe aus Effizienzgründen nach Bedarf zuschaltet, während die drehmomentstarken V6-Diesel immer über alle vier Räder angetrieben werden. Das Angebot an Serien- und Sonderausstattungen ist erwartungsgemäß breiter als bisher. So bietet der neue Audi A6 unter anderem LED-Scheinwerfer, Navigationssystem, Sechszylinder mit Allradantrieb und ein Basispaket an Fahrerassistenzsystemen, das sich üppig erweitern lässt. Teilautonome Fahrfunktionen sind jedoch ebenso wie beim Audi A8 erst einmal nicht freigeschaltet. Auf Wunsch gibt es weitere Ausstattungsdetails wie Luftfederung, klimatisierte Komfortsitze, Sportdifferenzial, Allradlenkung, beheizbare Windschutzscheibe oder Panoramaglasdach. Die Aufholjagd kann beginnen – ab Juni. Kurz danach folgt der A6 Avant. Die Sportversion S6 könnte noch in diesem Jahr nachfolgen; die über 600 PS starke Topversion des Audi RS6 kommt erst Ende 2019.