
Werden Autobauer in Europa künftig wieder verstärkt auf den Verbrennungsmotor setzen können? (Bild: BMW)
Die EU-Kommission überprüft das sogenannte Verbrenner-Aus früher als bislang vorgesehen. EU-Verkehrskommissar Apostolos Tzitzikostas kündigte in Brüssel an, dass diese Überprüfung bereits dieses Jahr und nicht wie ursprünglich geplant 2026 stattfinden soll. Bereits am Montag hatte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen gesagt, bei dieser Überprüfung werde keine Technologie von vornherein ausgeschlossen.
Darüber hinaus will die EU-Kommission die angeschlagene Autoindustrie mit einem Aktionsplan wieder in die Spur setzen. Konkret werden in dem in Brüssel präsentierten Plan fünf Bereiche genannt, die künftig Priorität haben sollen: Digitalisierung, Klimaschutz, Wettbewerbsfähigkeit, Arbeitnehmer und die internationale Dimension der Branche. Mit den Vorschlägen sind aber längst nicht alle zufrieden.
Klimaschutz-Vorgaben bleiben
Einen der entscheidenden Punkte hatte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen ebenfalls am Montag angekündigt. Sie will Autobauern eine „Atempause“ gewähren, indem sie ihnen mehr Zeit geben möchte, EU-Klimaschutzvorgaben einzuhalten. Sie beteuert aber, dass die Ziele die gleichen bleiben sollen.
Wer die Vorgaben für 2025 beispielsweise nicht einhalte, könne das durch Übererfüllung in darauffolgenden Jahren ausgleichen. Bisher mussten die Autohersteller jährlich die Grenzwerte einhalten.
Mehrheiten erforderlich
Für eine Änderung braucht die Kommission Mehrheiten im Europaparlament und unter den EU-Staaten. Dabei ist noch unklar, ob es vor allem im Parlament zu einem Richtungsstreit kommt. Denn wenn das Gesetz einmal geöffnet wird, kann es theoretisch an mehreren Stellen geändert werden.
Vor allem Rechtsaußen-Abgeordnete haben immer wieder die Klimaschutzziele der EU infrage gestellt. Im Fokus ist dabei etwa das sogenannte Verbrenner-Aus, also die Vorgabe, dass ab 2035 keine Neuwagen mit Verbrennungsmotor in der EU verkauft werden sollen.
Kommt jetzt das Verbrenner-Aus-Aus?
Die Kommission will das Thema im Rahmen einer späteren Gesetzesüberprüfung anfassen und nicht in der für diesen Monat angekündigten Gesetzesänderung. „Hier haben wir deutlich mehr erwartet und auf ein klares Bekenntnis zur zügigen Überarbeitung des Verbrennerverbots gehofft“, teilte der CDU-Europaabgeordnete Jens Gieseke mit. Stattdessen bleibe es vage und unkonkret.
Von der Leyen selbst hatte bereits Ausnahmen für E-Fuels in Aussicht gestellt, ihre Parteifreunde vom Mitte-Rechts-Bündnis EVP fordern, das Verbrenner-Aus umzukehren. Auch die im Europaparlament vertretene FDP hatte sich immer wieder gegen ein Verbrenner-Aus ausgesprochen.
Aus Reihen der Grünen gibt es Befürchtungen, dass entgegen den Zusicherungen der Kommission Klimaziele unter die Räder geraten. Die EU-Kommission öffne die Büchse der Pandora, sagte der Grünen-Abgeordnete Michael Bloss. Die EVP wolle mehr als nur ein paar Stellschrauben drehen.
So will die Kommission Innovation ankurbeln
Die Kommission betont, die EU-Automobilunternehmen seien bei Schlüsseltechnologien im Rückstand. Daher soll eine Industrieallianz gegründet werden, um autonomes Fahren voranzutreiben. Durch öffentlich-private Investitionen in Höhe von rund einer Milliarde Euro bis 2027 soll dieser digitale Fortschritt unterstützt werden.
Zudem werden die EU-Staaten aufgefordert, mehr zu unternehmen, um Unternehmensflotten klimafreundlicher zu gestalten. Hierzu will die Kommission auch noch ein Gesetz vorschlagen. Elektroautos soll darüber hinaus durch ein soziales Leasingprogramm zu mehr Absatz verholfen werden.
Europas Autoindustrie reagiert positiv
Die neuerliche „pragmatische Wende“ der EU-Kommission wird von der europäischen Autoindustrie begrüßt. „Der Aktionsplan zeigt viele Schlüsselbereiche auf, in denen sofortiger Handlungsbedarf besteht“, sagte Sigrid de Vries, Generaldirektorin des Europäischen Verbands der Automobilhersteller (ACEA). Die vorgeschlagene Flexibilität bei der Erfüllung der CO2-Ziele in den kommenden Jahren sei ein begrüßenswerter erster Schritt hin zu einem pragmatischeren Ansatz bei der Dekarbonisierung, der von den Markt- und geopolitischen Realitäten bestimmt werde, so die Verbandschefin. „Er verspricht den Herstellern eine gewisse Atempause, vorausgesetzt, dass die dringend benötigten Maßnahmen für die Nachfrage und die Ladeinfrastruktur jetzt auch tatsächlich greifen.“
Doch für de Vries ist der Aktionsplan an einer Stelle noch immer zu vage: So seien zwar „vielversprechende Maßnahmen“ beispielsweise zur Förderung des Infrastrukturaufbaus vorgestellt worden, dennoch fehle weiterhin eine „ausdrückliche Verpflichtung“, die Überprüfung des Verbrenner-Aus auch wirklich in diesem Jahr einzuleiten. Die ACEA stehe derweil weiterhin bereit, an einem konstruktiven Dialog mit der EU zu diesen Fragen teilzunehmen, heißt es aus Brüssel.