Jahresrückblick Automobil Produktion 2024

Chinas Hersteller überholen deutsche Autobauer, während Bürokratie und hohe Energiekosten die Produktion lähmen. (Bild: sizsus/Adobe Stock. Illustration: Andreas Croonenbroeck)

Automobil Produktion Kongress 2025

Automobil Produktion Kongress 2025

Am 15. Mai 2025 treffen sich auf dem Automobil Produktion Kongress in München wieder hochrangige Fach- und Führungskräfte, um über die Automobilfertigung der Zukunft zu sprechen. Gemeinsam streben Hersteller, Zulieferer und Dienstleister eine smarte, flexible sowie nachhaltige Produktion mit transparenter Lieferkette an. Seien Sie dabei und profitieren Sie vom kollektiven Branchenwissen. 🎫 Jetzt Ticket sichern!

Januar bis März

Zum Jahresauftakt ging es Ihnen, liebe Leserinnen und Leser, erstmal darum, sich einen Überblick in der Autowelt zu verschaffen: Die meistgelesenen Artikel waren unsere großen Überblicke der Produktionsnetzwerke, unter anderem von Audi, Mercedes-Benz oder Volkswagen. Entscheidend am Jahresanfang ist auch der Output dieser Netzwerke: Im Absatzticker sind Sie stets auf dem neuesten Stand, was die Performance-Werte der weltweiten Automobilbauer anbelangt. Der Rückblick auf das Jahr 2023 verzeichnete bei den Neuzulassungen zwar ein leichtes Plus, doch schon im Januar war klar: der Wachstumskurs ist ein fragiles Gebilde – speziell beim Blick auf die Verkäufe bei E-Autos.

Einer, der das besonders gut kann, ist der chinesische Hersteller BYD. Keiner baut und verkauft mehr Elektrofahrzeuge als der OEM aus Shenzhen. Wir hatten die Gelegenheit, hinter die Kulissen zu schauen und erfuhren, was BYD in Sachen Software, KI und E-Plattformen in den nächsten Jahren so vor hat – und das nicht nur in China.

Zurück in Deutschland: In Leipzig steht nicht nur die Fabrik des Jahres 2024 von Porsche, nein, auch bei den Nachbarn von BMW ist einiges los: Nicht nur, dass man dort trotz wirtschaftlich schwierigen Zeiten den Produktions-Ouput nochmal erhöht hat, man will auch in anderen Bereichen Vorreiter im Konzern sein. Dazu hat uns im Februar eine der wenigen weiblichen Werkleiterinnen, Petra Peterhänsel, bei einem Vor-Ort-Termin Rede und Antwort gestanden. Und war dann auch noch zu Gast beim Automobil Produktion Kongress im Mai in München.

Weniger rosig war das Frühjahr 2024 für die deutschen Automobilzulieferer: Schon im Januar kündigte ZF Friedrichshafen an, bis zu 18.000 Stellen streichen zu wollen, es folgten weitere Hiobsbotschaften von Bosch, Continental, Webasto oder Hella (jetzt: Forvia). Sie alle ringen mit sinkenden Marktanteilen, steigendem Kostendruck und schwindender Wettbewerbsfähigkeit angesichts des Strukturwandels in der Autoindustrie. Die dunklen Wolken über der Branche sollten bis zum Ende des Jahres nicht verschwinden.

April bis Juni

Im April beginnt Volkswagen im Wolfsburger Stammwerk die Produktion der neuesten Version des Golf 8. Die überarbeitete Modellgeneration soll mit modernisierten Connectivity-Features sowie einer hohen Antriebsvielfalt und neuen Lightning-Systemen überzeugen. Derweil verdeutlicht eine neue Berylls-Studie die Entwicklung des Rohstoffmarktes für Batterien und kommt zu dem Ergebnis, dass die europäische Industrie im Bezug von Batteriematerialien nach wie vor zu abhängig von riskanten Importen aus dem Ausland ist.

Auf der Auto China 2024 im demonstrierten chinesische Automobilhersteller eindrucksvoll ihr gestiegenes Selbstbewusstsein und ihre Innovationskraft. Mit einer Vielzahl neuer Modelle und Technologien, insbesondere im Bereich der Plug-in-Hybride und Vans, setzten sie deutliche Akzente. Auf dem europäischen Markt versuchen die chinesischen OEMs derweil mit einer Mischung aus erschwinglichen Preisen und einer starken Service-Infrastruktur zu überzeugen.

Mercedes-Benz @ Auto China, Peking 2024 // Mercedes-Benz @ Auto China, Beijing 2024
Unter anderem Mercedes-Benz zeigt in Peking die Ergebnisse seiner „Inspired by China, Innovating in China“-Strategie. (Bild: Mercedes-Benz)

In ihrer Not wenden sich die deutschen Zulieferer verstärkt an wachsende OEMs aus China, um wettbewerbsfähig zu bleiben und von der schnellen Innovationskraft dieser zu profitieren. ZF verkauft daher 50 Prozent seiner Fahrwerksystemeinheit an Foxconn und auch kleine und mittelständische Zulieferer wie die Voit Automotive suchen ihr Heil im chinesischen Windschatten.

Dennoch müssen deutsche Zulieferer angesichts der zunehmenden Konkurrenz aus China die Disruption akzeptieren und ihre Inhouse-Kompetenzen stärken, so Jan Henning Mehlfeldt, Vorstand bei Webasto auf dem Automobil Produktion Kongress im Mai. Webasto entwickelt sich daher vom Dachexperten zum globalen Player für Glasdächer mit umfassender Produkt- und Prozesskompetenz. Manuel Ötsch, Vice President Operations EVS bei Valmet Automotive betont auf dem Event zudem die Bedeutung modularer, flexibler Produktionslinien, um Schwankungen bei Volumina auszugleichen und sich auf neue Anforderungen wie Aftersales-Services einzustellen.

Im Interview mit Mercedes-Produktionschef Jörg Burzer bestätigt dieser, dass es beim Thema KI in der Automobilindustrie kaum noch Überzeugungsarbeit braucht. Mercedes treibt die Digitalisierung seiner Produktion voran, wobei das Werk Rastatt als digitaler Pionier gilt. Burzer betont, dass künstliche Intelligenz in Bereichen wie Produktion, Logistik und Qualitätssicherung eingesetzt wird, um Prozesse zu optimieren. Dank der MO360 Data Platform und der Zusammenarbeit mit Microsoft können Daten aus nahezu jeder Anlage in die Cloud übertragen werden, was die Implementierung von KI-Anwendungen erleichtert. Auf dem 34. Montagekongress in München präsentieren auch Audi und BMW innovative Anwendungen von Künstlicher Intelligenz in der Fahrzeugproduktion, insbesondere in der Qualitätskontrolle.

Volkswagen kündigt an, ab 2027 eine Reihe erschwinglicher Elektrofahrzeuge für rund 20.000 Euro auf den Markt zu bringen, um den Einstieg in die Elektromobilität zu erleichtern. Konzernchef Oliver Blume betont die "gesellschaftliche Verantwortung" des Unternehmens. Mercdes weicht unterdessen vom E-Fahrplan ab und verwirft den Plan einer ausschließlich vollelektrischen Generation von Baureihen ab 2028. Demnach soll die Produktion weiter flexibel aufgestellt sein. Vor allem politische Unsicherheiten dürften zu dem Entschluss geführt haben. Roland Berger-Experte Felix Mogge kommentiert: „Die Elektromobilität ist noch kein profitables Geschäft. Das gilt sowohl für die Hersteller als auch für die Zulieferer. Und gerade letztere haben sich in den letzten fünf Jahren einen ruinösen Preiswettbewerb um Marktanteile geliefert.“

BMW transformiert sein Münchner Stammwerk umfassend, um ab 2026 die vollelektrische "Neue Klasse" zu produzieren. Trotz der laufenden Produktion von täglich rund 1.000 Fahrzeugen werden neue Karosseriebau- und Montagehallen errichtet, wobei BMW 650 Millionen Euro investiert. Die Motorenfertigung wurde nach Steyr und Hams Hall verlagert, um Platz für die neuen Anlagen zu schaffen. Ab Ende 2027 wird das Werk ausschließlich vollelektrische Modelle fertigen, was eine bedeutende Zäsur in der über 100-jährigen Geschichte des Standorts darstellt.

 

Hier entsteht der neue Karosseriebau. Für ihn und die neue Montage investiert BMW 650 Millionen Euro.
Hier entsteht der neue Karosseriebau. Für ihn und die neue Montage investiert BMW 650 Millionen Euro. (Bild: BMW)

Zum Ende des Quartals erfolgt ein Führungswechsel beim britischen Automobilhersteller Bentley: Frank-Steffen Walliser, ein erfahrener Ingenieur mit umfassender Expertise in Produkt- und Technologieentwicklung, übernimmt zum 1. Juli 2024 die Position des Chairman und CEO. Er folgt damit auf Adrian Hallmark, der seit Februar 2018 als CEO für Bentley tätig war und das Unternehmen auf eigenen Wunsch verlässt.

Juli bis September

Die Schwierigkeiten in der deutschen Automobilindustrie schlagen in handfeste Maßnahmen um: Audi beendet nach langen Diskussionen schlussendlich das Kapitel Brüssel. Die Autoproduktion soll im Februar 2025 auslaufen. Bis zuletzt hatte Audi erfolglos versucht, Investoren für den Standort zu finden. Währenddessen konkretisieren sich in Hannover Continentals Gedanken, die schwächelnde Autozuliefersparte vom Mutterkonzern abzuspalten.

Anfang September folgte dann der Hammer, der den öffentlichen Diskurs bis Jahresende bestimmen sollte: Volkswagen kündigt aufgrund der ertragsschwachen Kernmarke für den Standort Deutschland betriebsbedingte Kündigungen an. Sogar Werksschließungen stehen im Raum. Arbeitnehmervertretungen und Gewerkschaften laufen Sturm und liefern sich in der Folge einen erbitterten Arbeitskampf.

Den Neustart, den VW anstrebt, ging man anderer Stelle bereits an: E-Autobauer und Volvo-Schwester Polestar reagiert auf die nicht erfüllten Erwartungen seit Unternehmensgründung und installiert einen neuen Chef. Der kommt mit einer Extraportion Führungserfahrung in der klassischen Autobranche im Gepäck: Der ehemalige Opel-Chef Michael Lohscheller übernimmt. Nicht nur in Schweden, auch in Finnland stehen die Zeichen auf Elektro. Um vom Kuchen rund um das Batteriegeschäft ein gehöriges Stück abzubekommen, gründet Valmet Automotive seine EV-Sparte aus und erweckt den neuen Batteriezulieferer Ioncor ins Leben.

Batterieproduktion bei Valmet Automotive
Das Batteriegeschäft von Valmet Automotive wird künftig in einer eigenen Gesellschaft gebündelt. (Bild: Valmet Automotive)

Während Volkswagen taumelt, ergreifen zwei weitere OEMs aus der Spitzengruppe der weltgrößten Autobauer die Flucht nach vorn: General Motors und Hyundai prüfen eine umfassende Zusammenarbeit, die die gemeinsame Entwicklung und Produktion von Fahrzeugen ebenso umfassen könnte, wie die Arbeit an innovativen Technologien sowie die Beschaffung von Rohstoffen.

Bei BMW in Spartanburg wiederum zieht Science-Fiction ein: Gemeinsam mit dem kalifornischen Robotikunternehmen Figure testet BMW den Einsatz des humanoiden Roboters Figure 02 in der Produktion. Der Robo-Kollege soll Mitarbeiter bei ergonomisch ungünstigen sowie ermüdenden Aufgaben entlasten. Automobil Produktion hat sich das zum Anlass genommen und verschiedene Formen des kollaborativen Einsatzes von Robotern in der Produktion beleuchtet.

Oktober bis Dezember

Das letzte Quartal des Jahres war geprägt von Meldungen zweier Hersteller: Mercedes-Benz und VW. Während letzterer weiterhin – auch aufgrund der seit Dezember stattfindenden Warnstreiks – in den Schlagzeilen steht, interessierte unsere Leserinnen und Leser bei Mercedes-Benz besonders, welche Fahrzeuge der OEMauf seiner neuen MMA-Plattform plant.

Ein weiteres Schmankerl war Ende November die Factory Tour der ganz besonderen Art: Michael Kübler ist der einzige Mitarbeiter, der den V-12-Motor von AMG zusammen baut. Auch wenn die gewöhnliche AMG-Produktion schon als Manufaktur durchgeht, ist das fast Großindustrie verglichen mit der Arbeit in Küblers Schatzkammer des Motorenbaus, schreibt unser Autor in seinem Artikel dazu.

Das Trio der Mercedes-Artikel macht der CLA perfekt. Das wohl wichtigste Modell dieses Jahrzehnts, nennt es Thomas Geiger in seinem Artikel. Das ließ es sich Mercedes-Chef Ola Källenius nicht nehmen, selbst mal als Chauffeur zu agieren.

Zurück zu Volkswagen: Trotz der omnipräsenten Krise gab es gegen Ende des Jahres auch positive Meldungen aus Niedersachsen. So lief der neue Tayron in Wolfsburg planmäßig an. Worauf es dabei besonders ankam, interessierte unsere Leserschaft sehr.

Und auch der Blick über den Tellerrand hinaus lohnt sich immer wieder. Im Rahmen der Preisverleihung der neuen Sieger des Automotive Lean Production Award rückte die Factory Tour aus Palmela wieder ins Blickfeld – ebenso wie die Interviews mit dem deutschen Werkleiter in Portugal und das von José Arreche, Werkleiter des Seat-Werks in Martorell.

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