Ola Källenius

Ola Källenius musste einen satten Gewinneinbruch vermelden. (Bild: Mercedes-Benz)

Das Jahr 2024 ist Vergangenheit, doch die Auswirkungen dieser zurückliegenden 365 Tage dürften in der Automobilbranche im Allgemeinen und bei Mercedes-Benz im Speziellen nachhaltiger sein als in so manchen Jahren zuvor. 2024 und eben auch das junge 2025 werden in der Branche, besonders in Deutschland, als Jahre der Konsolidierung, der Bereinigung und Übergangs gesehen.

Ist dies auch beim ältesten Automobilhersteller der Welt der Fall? Es sei ein aufregendes und von makroökonomischen Herausforderungen belegtes Jahr gewesen, sagte Mercedes-CEO Ola Källenius auf der kürzlich abgehaltenen Pressekonferenz vor der Weltpresse. Das zurückliegende Jahr habe die Ertrags- und Gewinnsituation angegriffen, so der gebürtige Schwede. Konkret geht es um einen Gewinneinbruch von mehr als 28 Prozent. Solche Unbill soll freilich Vergangenheit bleiben, weshalb Mercedes-Benz bei der Jahrespressekonferenz eine umfassende Strategie zur Neuausrichtung der Pkw-Sparte präsentierte. Der Premiumhersteller setzt dabei auf eine massive Produktoffensive, Kostenoptimierungen und eine Fokussierung auf das High-End-Segment. Doch werden diese Maßnahmen ausreichen, um den wachsenden Herausforderungen des Marktes zu begegnen?

Duale Strategie soll die Profitabilität stärken

Die Profitabilität der Pkw-Sparte lag 2024 bei 8,1 Prozent (bereinigter RoS). 2023 waren es noch 12,6 Prozent. Auch der Absatz ging zurück auf 1,98 Millionen Pkw. Im Vorjahr waren es noch über zwei Millionen. Global sollen die Kapazitäten in den Werken für Pkw von 2,5 Millionen Einheiten auf zwei bis 2,2 Millionen Einheiten bis 2027 reduziert werden. Als Gegenmaßnahmen planen die Schwaben, bis 2027 eine Vielzahl neuer oder überarbeiteter Modelle auf den Markt zu bringen. Den Auftakt macht in diesem Jahr der neue CLA, der als batterieelektrisches Fahrzeug (BEV) sowie mit einem hochentwickelten Vierzylinder-Verbrennungsmotor angeboten werden wird. Neben der CLA-Familie sollen weitere elektrifizierte Modelle wie der vollelektrische GLC und die elektrische C-Klasse folgen.

Gleichzeitig bekennt sich Mercedes-Benz zur Dual-Strategie: Die künftigen Modelle basieren entweder auf reinen Elektroplattformen oder auf modularen Architekturen, die sowohl für BEV als auch für hocheffiziente Verbrennungsmotoren ausgelegt sind. Damit rückt der Hersteller von seiner ursprünglichen Vision ab, bis 2030 ausschließlich vollelektrische Fahrzeuge anzubieten.

Kostensenkungen und mehr Engagement in Osteuropa

Trotz ambitionierter Produktpläne ist der Druck auf die Profitabilität enorm. Das Ziel: Bis 2027 soll die Rendite wieder zweistellig werden. Um dies zu erreichen, setzt Mercedes-Benz auf drastische Sparmaßnahmen wie etwa die Senkung der Produktionskosten bis 2027 um zehn Prozent, unter anderem durch effizientere Fertigungsprozesse und den Einsatz digitaler Zwillinge. Zudem will man die Materialkosten optimieren, indem Lieferanten früher in die Entwicklung eingebunden und Bauteile standardisiert werden. Des Weiteren sollen die Fixkosten um weitere zehn Prozent gesenkt werden, unter anderem durch eine Straffung der Vertriebsorganisation und den Abbau von Führungspositionen.

Wie es auf der Pressekonferenz hieß, plant Mercedes-Benz zwar keinen Stellenabbau in Deutschland, doch der Autohersteller will dennoch Arbeitsplätze über Fluktuation reduzieren. Eine Vereinbarung schließt betriebsbedingte Kündigungen bis 2029 grundsätzlich aus, was dem Unternehmen wenig Spielraum lässt. Mit Blick auf das Heimatland sprechen die Vorstände von einer Produktionskapazität der deutschen Werke, die sich im Durchschnitt auf 300.000 Einheiten belaufen werde.

All die Umstände haben in jüngster Vergangenheit dazu geführt, dass der OEM aus den Werken Hambach in Frankreich, Iracemapolis in Brasilien sowie den CKD-Werken in Russland und Indonesien ausgestiegen ist. Wegen des Kostendrucks in der Automobilbranche blickt man daher wie so manch andere auch in der Stuttgarter Zentrale von Mercedes-Benz nach Osteuropa. Gerade bei den Vans soll es zu Verschiebungen kommen, kündigt der OEM an. Der Verkauf eines Van-Werks in Argentinien ist dem OEM zufolge ein weiterer Schritt zur Anpassung der globalen Produktionsstruktur. Dafür will man ein Werk für Antriebsstränge in Polen zu einem künftigen Produktionsstandort für die Vans umbauen. Das Produktionsportfolio des Werks Kecskemét in Ungarn soll mit einem weiteren Modell des Core-Segments ergänzt werden. Dieses Core steht beim Hersteller für die Mitte, das Segment darunter nennen die Schwaben Entry, jenes ganz oben Top End.

Auf diese Modelle und Innovationen setzt Mercedes

Beim Blick nach Ungarn hört man vom OEM, dass man durch Erhöhung der Kapazitäten Faktorkosten nutzen könne, die um rund 70 Prozent niedriger liegen sollen als in Deutschland. Ein Stichwort, das auf der Pressekonferenz fiel, lautete: Lokalisierung. Bis 2027 werde man den Anteil der lokalen Produktion von 60 auf 70 Prozent erhöhen. Ein weiteres Core-Segment-Modell könnte in den USA allokiert werden, und bis Mitte 2026 werde man eine Langversion des GLE in China positionieren.

Den Anfang im Reigen neuer Fahrzeugmodelle wird in diesem Jahr der neue CLA machen. 2026 dann wird ein Upgrade der S-Klasse erfolgen, flankiert von einer Reihe Anläufen bei Mercedes-AMG. Gesamt plane man, bis 2027 dutzende neue oder überarbeitete Modelle auf den Markt zu bringen. „Wir werden unsere Kunden mit Fahrzeugen begeistern, die konsequent auf ihre Bedürfnisse zugeschnitten sind. Sie werden ein intelligenter Teil ihres Lebens sein. Alle Modelle verfügen über einen vollständig integrierten Tech-Stack und nutzen die neuesten KI-Entwicklungen“, betont Markus Schäfer, CTO im Unternehmen.

Zu den Weiterentwicklungen mit Blick auf die Antriebe setzt man im Elektrobereich auf kosteneffiziente LFP- und fortschrittliche NMC-Batterien, sowie leistungsstarke Rundzellen. Eine neu entwickelte Electric Drive Unit 2.0 (EDU 2.0) soll über alle Segmente hinweg Zwei- und Allrad-Optionen erlauben. Um ein umfassendes Portfolio an elektrifizierten Hightech-Verbrennermodellen sicherzustellen, setze man auf hauseigene zukunftsfähige Getriebe und EU-7-Motoren mit vier bis acht Zylindern. In ausgewählten Märkten will man weiterhin 12-Zylinder-Motoren anbieten.

CLA
Der neue elektrifizierte CLA soll die Schwaben endlich wieder auf Augenhöhe mit anderen Newcomern bringen. (Bild: Mercedes-Benz)

Um den Ansprüchen insbesondere der jungen Märkte gerecht zu werde, setzen die Entwickler auf Hightech. Markus Schäfer spricht mit Blick darauf von eben jenem vollständig integrierten Tech-Stack in den Autos, die einen wassergekühlten Supercomputer enthalten. Mit dem neuen CLA führt Mercedes-Benz nicht nur MB.OS ein, sondern auch den MBUX Virtual Assistant, der Multi-Agent-KI-Funktionalitäten bietet. MB.OS unterstützt auch das nächste Level des automatisierten Fahrens, darunter die Level 2++ Point-to-Point-Navigation, die den komplexen Stadtverkehr meistern soll.

MB.OS sei datengesteuert und personalisiert, betont der Entwicklungschef, die Architektur skaliebrar. Ein Vorteil liegt Schäfer zufolge in der Entkoppelung von Hard- und Software. Das biete Zukunftssicherheit und sichere zugleich die Hoheit über den Software-Stack. Zeitlich noch nicht konkretisieren wollte der CTO den Einsatz des verbindungslosen Lenkens: Steer-by-Wire werde kommen, man habe dafür ein flaches Lenkrad wie in der Formel 1 und bei AMG entwickelt, so Schäfer. Das System interagiere mit der Hinterachslenkung und man werde es sogar mit Apps für In-Car-Gaming kombinieren können.

Die Herausforderungen liegen vor allem in China

Apropos Gaming: Kein leichtes Spiel hat der Stuttgarter Autobauer im gigantischen Markt China. Das Geschäft ist schwach und hat maßgeblich zum Gewinneinbruch beigetragen. Trotz eines starken lokalen F&E-Netzwerks und einer breiten Modellpalette verliert Mercedes-Benz dort an Dynamik. Um die Position zu stärken, sollen künftig sieben speziell für den chinesischen Markt entwickelte Modelle angeboten und die lokale Wertschöpfung erhöht werden. Doch die Unsicherheiten bleiben: Die Nachfrage nach Elektrofahrzeugen entwickelt sich global langsamer als erwartet, während der Wettbewerb in China durch heimische Hersteller weiter zunimmt. Gleichzeitig dürfte die Transformation hin zu softwaredefinierten Fahrzeugen mit MB.OS hohe Investitionen erfordern, die sich erst mittelfristig amortisieren.

Die Stuttgarter stehen vor der Herausforderung, die eigene Position im Premiumsegment zu verteidigen, während gleichzeitig die Profitabilität stabilisiert werden muss. Die Produktstrategie bietet dabei einen ausgewogenen Ansatz aus BEV und Verbrenner-Technologie, der den unterschiedlichen Marktanforderungen Rechnung trägt. Doch das Sparprogramm dürfte vor allem im deutschen Stammwerk für Diskussionen sorgen. Mit der beschriebenen umfangreichen Produkt- und Technologieoffensive und dem Programm zur Leistungssteigerung möchte man im jungen Jahr 2025 also einen guten Start hinlegen. Gleichzeitig soll das Image des Sterns unangetastet bleiben und sein Image strahlen. Källenius‘ Worte klingen beschwörend: „Mercedes-Benz ist eine ikonische Marke. Unsere Verantwortung besteht darin, ihr volles Potenzial zu heben.“ Wird die Mischung aus Produktoffensive und Kostendisziplin also ausreichen, um die Marke langfristig auf Erfolgskurs zu halten?

Mit Material von dpa.

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